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freundlichen Städtchen Kempen bei Köln es äußerlich nicht weiter gebracht als
zum Subprior des Agnes-Klosters bei Zwoll. Er wollte es auch nicht weiter
bringen als zu der Wahrheit eines rechten Nachfolgers des armen, demütigen und
sanftmütigen Lebens Jesu in dem Amte eines Predigers der Gerechtigkeit und des
Friedens nach dem Geiste Johannis des Täufers und nach dem Geiste des Jün-
gers, der an der Brust des Herrn lag. Und welch ein Glanz umfließt nun den
gottinnigen, demutsvollen, liebeglühenden Bruder Thomas, der am liebsten in
feiner kleinen Klosterzelle dem Gebete, der Betrachtung und dem Schreiben und
Abschreiben geistlicher und heiliger Bücher oblag und unter Menschen, „von denen
er nie gebessert", nur zu oft geärgert zurückkehrte, nur weilte, um ihnen zu dienen
und sich in der Selbsterkenntniß, im Gehorsam und in der Verläugnung zu üben!
Ohne den Heiligenschein pomphafter päpstlicher Canonisation, deren man die Brüder
des gemeinsamen Lebens trotz dem Ruhme ihrer Frömmigkeit nicht werth achtete,
hat Thomas von Kempen jene allerhöchste Auszeichnung erlangt, von welcher der
Prophet sagt: Die Lehrer werden leuchten wie des Himmels Glanz und die, so
viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.
Von seinem Hauptwerke, dem eigentlichen Werke seines Lebens, in dem er
das innere, der Gottes- und Nächstenliebe geweihte Leben eines einfältigen Jün-
gers Jesu in evangelisch-katholischer Weise als das Werk aller Werke, als die
Quelle und den Lohn alles Wirkens so unnachahmlich klar und verständlich dar-
stellt, sind bekanntlich mehr als zweitausend verschiedene lateinische Ausgaben,
ungefähr tausend französische und ungezählte andere Uebersetzungen in die meisten
lebendigen und todten Sprachen vorhanden. Kein Buch hat in der Christenheit
nächst der Bibel eine so große Verbreitung erhalten. Und die drei ersten Bücher
„von der Nachfolge Christi" sind es wahrlich werth, auch von der evangelischen
Christenheit fürwährend unter die edelsten Erbauungsbücher gerechnet zu werden.
Sie haben und behalten das Gepräge des Klassischen: man kann immer wieder
zu ihnen zurückkehren, um immer neue Eindrücke, neue Antriebe, neue Kräfte und
Genüsse aus ihnen zu schöpfen. Für die Evangelischen wird die Uebersetzung von
Goßner eine der gesegnetsten bleiben, da in ihr das ausschließlich Katholische mit
zarter Hand verwischt worden ist. Für die Katholiken hat Joseph Görres, der
Meister in deutscher Sprache, ohne Zweifel eine vortreffliche Uebersetzung gestiftet,
die auch wir Evangelischen in ihrer Kraft und Schöne gleich der Urschrift dankbar
genießen können. Würde diese Uebersetzung nur in der vorliegenden einfach schönen
typographischen Ausstattung — in groß Quart besten Druckes und Papieres —
neu aufgelegt sein, so wäre sie schon eine würdige Festgabe zum 400jährigen Ge-
dächtniß des Todten, der noch immer redet, obwohl er gestorben ist. Aber
nun hat sie einen Schmuck durch die Zeichnungen eines ersten deutschen Meisters
erhalten, wie er nicht würdiger sein kann für eine rechte Weihespende aus des
verklärten Thomas Grab.
Joseph Führich, der jetzt 71jährige Hauptvertreter der strengkirchlichen
Malerei unserer Zeit, ward zu Kratzau in Böhmen geboren, in Prag gebildet,
wandte sich zuerst an Overbecks Seite zu Nom ausschließlich der Romantik zu und
ging dann mit Overbeck ebenso ausschließlich zur religiösen Kunst über. Er ver-
 
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