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senkte sich wie wenige in die Mystik seiner Kirche und brachte den biblischen und
kirchlichen Stoffen deutschen Tiefsinn, sittlichen Ernst, hohen.Gedankenflug und
südlich reine Formenschönheit entgegen. Zu der „Nachfolge Christi" hat er offen-
bar einen innern Beruf und die nun veröffentlichten Zeichnungen zu derselben
sind der Ausdruck einer von Bruder Thomas gelernten und an ihm lebendig
warm erhaltenen Herzensstellung.
Führich selbst erklärt sich darüber, wie er es angegriffen, zu dem beim ersten
Anblick völlig bildlosen Buche des gottseligen Thomas Bilder zu zeichnen. Bei
näherer Betrachtung umfasse es die ganze christliche Welt-und Lebens-Anschauung;
eben darum müssen die Bilder dazu auch mehr allgemein als individuell sein. Sie
können sich nicht sowohl dem Buchstaben fügen, als dem Geiste sich anschließen
und sind mehr Betrachtungen über das im Buch Enthaltene, als unmittelbare
Verbildlichungen seines Inhalts. Zudem ist die Kehrseite der Nachfolge Christi
in diesen Bildern sogar mehr als im Buche selbst betont. Aber Führich hält sich
dazu desto mehr berechtigt, ja verpflichtet, je mehr „so viele unserer Zeitgenossen
die heilige Lichtwelt, welche das herrliche Buch den Menschen erschließt, als über-
wundene mittelalterliche Finsterniß beseitigt wissen wollen."
Die Zeichnungen, in sich voll edler Einfalt und Anmuth, sind von Kaspar
Oertel vortrefflich in Holz geschnitten und gehören durch die Kraft und Reinheit,
Sorgfalt und Treue der Ausführung zu den schönsten Erzeugnissen deutscher Kunst. >
Letztere steht im Titelbilde als — nicht Magd, sondern Freundin der Theologie,
jungfräulich zart, mit dem Lorbeerkranze auf dem Haupte, die Palette in der
Linken haltend, die rechte Hand an's Herz legend, hinter dem Bruder Thomas,
der, in stille Betrachtung versenkt, mit der Feder in der Hand über den Perga-
mentblättern sitzt. Was diese in sich aufnehmen sollen, zeigt das Bild des seiner
Herde vorangehenden Hirten im oöern Felde. Derselbe ladet als rüstiger Wan-
derer gleich auf der ersten Seite des Buches zur Mitreise „in's Paradies" mit
den Worten: „Wer mir nachfolget, wandelt nicht im Finstern". Zum zweiten
Kapitel „Von dem demütigen Gefühle seiner selbst" gehört das Bild der Fuß-
waschung Jesu an seinen Jüngern. Das dritte Kapitel „Von der Lehre der
Wahrheit" hat zur Illustration den Sämann, dessen guten Samen die Vögel
wegfressen und die Dornen ersticken. „Gottes Wort unter den Dornen" — das
dorngekrönte Antlitz des Erlösers umgeben von Dorngestrüpp ist eine eigenthüm-
liche Symbolik. „Alle heilige Schrift soll mit dem Geiste gelesen werden, durch
den sie geworden ist" — dieses Wort des 5. Kapitels erläutert eine liebliche
Arabeske. Oben hängt die Lampe des ewigen Lichtes, ein Knabe zündet daran
eine Fackel an, während er mittelst einer bereits brennenden die Flamme weiter
gibt an einen andern weiter unten, von dem ein dritter das heil. Feuer empfängt,
um es dem ganz unten vor einem Buche neben einer Nachteule Sitzenden zu
überreichen. Das 9. Kap. von Gehorsam und Unterwürfigkeit ist mit der Maria
verbildlicht, welche zu dem Engel der Verkündigung spricht: Ich bin des Herrn ^
Magd, er thue mit mir, wie ihm gefällt. „Wie man den Versuchungen wider-
stehen soll" — ist an der Figur des zwischen der Liebe und der Hoffnung einher-
schreitenden Glaubens dargestellt, der seine brennende Lampe sorgfältig zu schützen
 
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