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Sohnes, aber doch nach seinen geistigen Eigenschaften und nach seiner Unsterblichkeit,
— Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn. Wer
darum allzu gering von sich denkt und wohl manchmal einem elenden Aschenbrödel
sich gleich achtet, der behalte im Gedächtniß Jesum Christum und gedenke, was das
sei, daß Alles um seinetwillen, und er zu Gottes Bilde, und Gottes Sohn selbst zu
unserm und seiner Mutter Menschenbilde, jedoch ohne Sünde, gemacht sei. So wird
er mit David ausbrcchen und sprechen: was ist der Mensch, daß du sein gedenkest,
und des Menschen Kind, daß du seiner dich so annimmst!
Gott hat uns aber auch seinen lieben Sohn, und er sich selbst, vor Augen
malen wollen unter Vermittelung auserwählter Menschen, und zwar nach seiner Weise
nicht Einem Alles, sondern dem einen Manne und Volke diese und dem andern jene
besondere Gaben zutheilend, wie es denn auch in verschiedenen Ländern, als Wälsch-
land, Niederland und Deutschland, verschiedene Malerschulen mit mancherlei Eigen-
thümlichkeiten gibt. So ist uns das höchste Heilsbild erst dunkel vorgezeichnet worden
3. im wunderlieblichen Schattenmalwerk der levitischen Opfer,
sowie überhaupt der alttestamentlichen Vorbilder. Denn wie ein Maler ein Bild erst
mit bloßen Linien und Strichen anlegt, und wie manche Künstler sich lediglich auf
dunkle Schattenrisse oder schattirte Entwürfe legen, so hat es auch der himmlischen
Weisheit beliebt, den künftigen Heilbringer erst in dnnkcln Bildern gleichsam zu
schattiren. So in den alttestamentlichen blutigen Opfern überhaupt, und insbesondere
der Zeitfolge nach in des Weibes Samen, der der Schlange den Kopf zertreten soll,
in dem heilwertigen Segensmanne Abraham, in dem Scepter und Helden aus Juda,
in dem brennenden und doch nicht verbrennenden Dornbüsche, in dem in einer Nacht
ergrünenden und erblühenden Stabe Aarons, in der in der Wüste erhöhten Schlange
u. s. w. Es sollte aber das himmlische Gnadenbild immer mehr aus dem Dunkel
hervortreten
4. im wunderbaren Landschaftsmalwerke der prophetischen Weis-
sagungen, welche in der That insofern mit landschaftlichen Bildern zu vergleichen
sind, als dieselben mit ihrem Hintergründe perspcctivisch auf eine weite erwartungs-
volle Ferne hinzuweisen pflegen. In ihnen ist von dem Heilande und seinem Reiche
als von zukünftigen Dingen die Rede, doch so, daß durch immer deutlichere Aus-
sprüche die auf ihn hindeutcnden dunkeln Bilder allmählig immer mehr Licht ge-
winnen, wie namentlich durch die fast evangelischen Weissagungen des 22. Psalms
und des 53. Capitels des königlichen Sehers Jesaias. In noch hellerem Glanze
aber sollte das göttliche Heilsbild erscheinen
5. in dem wunderbaren und offenbaren Mund-, Ohren- und
Herz enmalwerke der apostolischen und evangelischen Prediger. Mit
dem Pinsel ihrer Zunge malen sie gleichsam das erhabenste und lieblichste Bild in
die Tafeln des Gedächtnisses und Herzens hinein, und machen mit den Hellen Farben
ihrer wahrhaftigen Rede Alles so kenntlich und verständlich, daß es uns nicht anders
ist, als sähen wir den Herrn vor unfern Augen wandeln, handeln und am Kreuze
für uns bluten, büßen und zahlen. Die Alten rühmten unter andern als ein Meister-
werk des Apelles ein Bild, das den makedonischen Alexander darstellte, mit seiner
Rechten Blitze schleudernd, und als ein Meisterwerk des Zeuxis einen blühenden,
täuschend gemalte Weintrauben tragenden Jüngling. Aber wie viel größer, Herr-
 
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