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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 17.1875

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Nr. 4 (1. April 1875)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42368#0055
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dann eine Deutung des Bildwerks oder beziehen sich doch auf das Sacrainent, für
welches der Kelch bestimmt ist.
Die reichsten Bilderkelche gehören der älteren Zeit an. Sie sind sicher nach
bestimmten Angaben und künstlerischen Entwürfen gearbeitet. Später hielten sich
die Goldschmiede vielfach an ältere Vorbilder, benutzten auch wohl vorhandene
Formen, und es kehren daher dieselben Verzierungen häufig wieder oder haben
doch ein conventionelles Gepräge. Sehen wir uns zweie der älteren Bilderkclche
genauer an.
Nachdem von dem Archivar des Klosters Kremsmünster (in den Mittheilungen
der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudeulmale
Bd. IV. S. 169 f.) schlagend nachgewiesen ist, daß der dort aufbewahrte, aus
dem 8. Jahrhundert stammende „Thassilokelch" oder „Stifterbechcr" kein liturgisches
Gefäß ist, sondern ein cauonisches Maaß der in der Regel des h. Benedict angedeute-
ten Weinportion, haben wir als die ältesten Bilderkelche in Deutschland neben dem
Bernwardskelch in Hildesheim die beiden Henkelkelche anzusehen, welche in der Abtei
Wilten bei Jusbruck der eine, im Schatze des Stifts St. Peter in Salzburg
der andere aufbewahrt werden, der erstere inschriftlich dem 9. Decenuium des
12. Jahrhunderts, der letztere dem 13. Jahrhundert angehörig. Dieser hat bei
einer Höhe von 24 Ctm. und einem Durchmesser des Fußes von 21^/s Ctm. eine
halbkugelige*) Cuppa von 20 Ctm. Durchmesser. Auf dem kreisrunden, am Rande
mit Edelsteinen besetzten Fuße sind zwölf umgestürzte, nach dem Knauf zu strahlen-
förmig zusammenlaufende Bögen aufgelegt, von welchen die in Relief ausgeführten
Brustbilder von zwölf männlichen Gestalten mit Palmen in den Händen eingerahmt
werden. Wir haben uns unter ihnen wohl sicher die zwölf Apostel zu denken und
es darf uns in dieser Zeit nicht befremden, daß ihnen die später nicht leicht fehlen-
den Attribute nicht beigcgebeu sind. (Auffallend ist nur, daß Einer unter ihnen die
spitze, im Mittelalter die Juden charakterisirende Mütze trägt.) Mit diesen zwölf
Figuren correspondiren zwölf andere auf der unteren Hälfte der Cuppa unter auf-
rechtstchenden Bögen, welche theils aufwärts schauen, theils mit erhobener Hand
aufwärts weisen. Einer trügt eine Krone, jedenfalls David. Daß diese Figuren
die Väter, Propheten und Könige darstellen sollen und daß das Ganze gleichsam
eine Versinnlichung des Wortes Christi ist: „Selig sind die Augen, die da sehen,
das ihr sehet! denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen"
u. s. w. (Luk. 10, 23 f.), bestätigt das am Rande angebrachte Spruchband mit
den Versen:
kouesoiu priseorrrin srmpiruirt voku viroruin,
III sucoo Ino sunAnis ro8tnui-sk cjuoct noAgl nnZuis.

*) Wenn Otte in dem Handbuche S. 164 von einer „vasenförmigen, in geschwungenem
Profil ausgebauchten Cuppa" spricht, so ist das nur halbwahr: in den vorhandenen Photogra-
phien: nnd Abbildungen erscheint sic allerdings so; aber bei Besichtigung wird mau finden, daß
wir eine vollständig als Halbkugel getriebene Cuppa vor unS haben, welche nur in Folge der
auf der untern Hälfte aufgelegten erhabenen Figuren von Außen geschweift erscheint. Diese
Wirkung mag aber Wohl von dem Meister beabsichtigt sein nnd die antikisirenden Henkel stim-
men ganz zu der auf diese Weise bewirkten Vasenform.
 
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