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leicht kommt daher auch der Vorwurf bei Vasari, daß Perugiuo, trotz seiner mit
geringen Ausnahmen nur kirchlich-religiösen Kunstthätigkeit, wenig Religion gehabt
habe und nicht an die Unsterblichkeit der Seele geglaubt, auch hartnäckig „in seinem
Hirn von Porphyr" den Weg des Heils von sich gewiesen habe. All sein Hoffen
sei auf Glücksgüter gestanden; er habe große Reichthümer und viele liegende Gründe
erworben. Herr Förster versucht Vasari's Beschuldigung bezüglich der Geldliebe als
wenigstens übertrieben darzuthun. Die Sage von seiner Gottlosigkeit aber sei auf
den Umstand zurückzuführen, daß er 1524 im Hospital zu Fontignano an der Pest
gestorben und in ungeweihter Erde unter einer Eiche nahe der Landstraße gegen
Perugia begraben worden sei, weil er die Sterbsakramente nicht erhalten habe —
„aber gewiß ohne seine Schuld" setzt Herr Förster hinzu. Es ist aber schwer zu
glauben, daß ein so berühmter Maler, welcher eben noch, wenn auch „als ein ver-
löschendes Licht", in der Dorfkirche von Fontignano sein letztes religiöses Bild ge-
malt, im Hospital daselbst ohne seine Schuld das letzte Sakrament nicht erhalten
habe und daher in ungeweihte Erde verscharrt worden sein soll. Psychologisch ließe
es sich ja wohl zurechtlegen, wenn der alte Perugino, ohnehin der Welt wenigstens
nach der Seite des Geldes mehr und mehr zugewandt, in Florenz einen Trunk aus
jenem classischen Taumelkelche gethan hätte, von welchem berauscht selbst Päpste und
Kauzelreduer damals anstatt „die Fabel von Christus" platonische Philosophie ge-
trieben und ciceronianische Moral gepredigt haben. Der anfänglich so weltselige
Michelangelo klammerte sich schließlich an den Gekreuzigten an; es ist nur zu sehr
möglich, daß ein ursprünglich so empfindsam Gottseliger schließlich Schiffbruch leide im
Glauben und daß aus der früheren Gefühligkeit „ein Hirn von Porphyr" werde.
So konnte Perugino, der auf seinem Bildniß in den Uffizien in Florenz sich
1494 mit den Anfangsworten einer Predigt des Savonarola „Fürchtet Gott!" ge-
malt und im Jahr 1511 eine Grabstätte bei den Serviten in Florenz gekauft hatte,
im Jahr 1524 im Unglauben seinen Lauf beschließen, um so niehr, je weniger
sein kirchlich herkömmlicher Glaube im reinen Evangelium geläutert und gefestigt
war. Zu guter Zeit, nachdem er 1504 in seinem Sposalizio den Meister ebenso
überholt als nachgeahmt, hat der herrliche Rafael die Schule zu Perugia mit der
in Florenz vertauscht, wo er die von Perugino angebahnte Vereinigung altgläubiger
Innerlichkeit mit dem Geiste des wiedergebornen classischen Alterthums ihrer Voll-
endung entgegenführen sollte. Wir verweisen unsre Leser auf den schönen Abschnitt
über die Lehr- und Jugendzeit Rafaels, dessen jugendliche Vorliebe für Kinder und
Mütter, wie sein Venediger Studienbuch sie zeigt, so bezeichnend ist. Mit einer
Aufzählung der übrigen namhaften Maler und namenlosen Gemälde aus der Um-
brischen Schule schließt der inhaltreiche Band, dem bereits ein fünfter, demnächst
von uns vorzuführeuder gefolgt ist.

Inhalt: Der letzte Tag eines Thurmes. Mit einein Holzschnitt. Von Dekan Ed. Engelhardt
in Roth. — Altes und Neues vom Münster in Straßburg. (Fortsetzung.) — Literatur.
Von Ni. —

Verantwortliche Redaktion: Prälat I)r. H. Mcr; in Stuttgart. Verlag von I. U. Äteilüiopf
in Stuttgart, — Druck von Gebrüder Kröner daselbst.
 
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