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lebensgroßer Gestalt mit über der Brust gekreuzten Armen, zwischen Gottvater und
Sohn, welche, jener mit der emporgestreckten Rechten, dieser mit der linken Hand die
Krone über ihrem Haupte halten. Der greise Gottvater trägt neben dem Scepter
die Weltkugel im Schooße, Christus hat in seiner Rechten das Scepter. Ueber der
gekrönten Maria schwebt der heilige Geist in Gestalt der Taube. In den Wolken,
aus und zwischen welchen die heilige Scene schwebt, steht man eine Menge von
Engeln und Engelstöpsen mit Posaunen und Psalterien, blasend, singend und
sich tummelnd. Aus den Seitenflügeln sind rechts die h. Stephanus und Lau-
rentius, links die h. Gervasius und Protasius, deren Gebeine der Dom in silbernem
Schrein verwahrt, jeder mit seinem Attribut, dargestellt. Die Predella umschließt
die Brustbilder der vier Evangelisten mit ihren Symbolen nebst Dintenfaß und Feder.
Ueber der Mittelgruppe des Altars ist ein lustiger, in Fialen auslaufender Ausbau
in fünf pyramidalisch neben einander geordneten Nischen, von welchen die mittelste
und höchste noch durch eine zweite schmälere Nische überragt wird, welche bis an
die Decke des Chores aufsteigt und sich dort in einen sog. Frauenschuh nach vorne
umbiegt. In diesen mittelsten Nischen ist unten die h. Anna mit Maria und Jesus
in der Gruppirung, die man im späteren Mittelalter St. Anna selb dritt zu nennen
pflegte, und oben der Lees Uorno, dann zunächst in der Nische auf beiden Seiten der
h. Vitalis und die h. Valeria, in den äußersten Nischen je ein musicirender Engel.
Die Außenseiten der Altarflügel sind unbearbeitet geblieben. Die Holzsculptur war
ohne allen Zweifel ursprünglich unbemalt, wie auf den gleichzeitigen Altären der
Schloßkirche zu Winnenthal und der Herrgottskirche bei Creglingen, und da sie leider
i. I. 1838 mit gelber Oelfarbe überzogen worden ist, so wäre es eine pflichtmäßige
Aufgabe unsrer einsichtsvolleren Zeit, eine Aufgabe für die Stadt oder den Staat,
die unselige Oeltünche wieder ablösen zu lassen und diese Ehrenrettung eines Kunst-
heiligthums der sicheren Leitung des in Woltmanns Stelle getretenen Professors
Meyer in Karlsruhe anzuvertrauen. Dann würden sich die naturwahren und lebens-
vollen Köpfe, zumal Gottvaters und der Evangelisten in ihrer Vollendung erst
recht erkennen lassen, wenn freilich auch die Manierirtheit in den Haaren, Ge-
wändern und Wolken noch mehr zu Tage treten wird. Alsdann wird auch über
die Zahlen der Entstehungszeit des Altarwerks, die der Tüncher von l 838 in seiner
Unwissenheit entstellt haben mag, klarer Aufschluß gewonnen werden. Bis dahin
bleibt das Verhältniß der Breisacher Skulptur zu dem berühmten Freiburger Altar-
gemälde desselben Inhalts von Baldung Grien eine unsichere Muthmaßung. Das
Monogramm Ick. U. hat man bisher dem Hans Liefring zugeschrieben und um diesen
Namen hat sich eine ganze Sage von der Liebesgeschichte eines jungen Künstlers
gebildet, welche noch jüngst einer Novelle der Frau von Hillern (Berlin, 1877) zu
Grunde lag. Fünf artistische Blätter sind dem Buche beigegeben: der Grundriß des
Doms, ein solcher der Krypta desselben nebst der Nachbildung des Monogramms
und der verschiedenen Inschriften, dann in Photographie der ganze Altar, die Mittel-
gruppe und die Predella besonders. Im Holzschnitt wären wohl die einzelnen Par-
tieen, zumal in kleineren, dem Auge des Beschauers deutlicher geworden.
si Grüneisen.
 
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