Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
19

Wo man hinhorcht und schaut, in die Werkstätten und die Hörsäle, die Kunst-
schulen und die Hochschulen, die Real- und die gelehrten Schulen, ja vielfach
auch in Volksschulen — von allem, nur uicht von Gott und göttlichen Dingen,
wissen sie ernsthaft und herzhaft zu reden. Aus der ganzen „gebildeten" Welt
in Deutfchland ist der Glaube der Väter meist bis zur Wurzel nusgerissen und
daß er noch nicht in dem eigentlichen Volke entwurzelt, daß er überhaupt wohl
nicht ganz zu entwurzeln ist, hat erst jüngst „Auch Einer" bedauert, welcher
„um die Religion zu retten" den Glauben ausgerottet sehen möchte.
Was Wunder, wenn man aus der jüugsteu Berliner Kunstausstellung
herans wieder „das alte Lied" singen hörte: „Die Heiligenmalerei, die religiöse
Kunst hat keinen Boden im Bewußtsein unserer kirchlich zwar kämpfenden und
ringenden, doch zu keinem innern Frieder:, zu keiner freudigen Beschaulichkeit
gelangenden Zeitströmung." Und ob auch immerhin noch Bedeutendes ans dem
religiösen Gebiet an die Oesfentlichkeit gekommen ist, wie ist es doch so wenig
unter so viel hundert Gemälden weltlichen Inhalts und Stpls! Wie ist doch
die religiöse Kunst, welche einst alles erfüllt, alles beherrscht hat, nun so einsam
und kinderlos, fast gleich „einem Käuzlein in verstöreten Städten"! Ganz gewiß
auch aus Schuld der die religiöse Malerei nicht achtenden, nicht weckenden,
nicht nährenden Kirche. Von andern Kunststädten aus wird uoch weniger als
von Berlin gemeldet. München und Dresden, Weimar, Karlsruhe und Stutt-
gart scheinen religiös gleich unfruchtbar. Von Fr. Keller in München haben wir
jüngst eine bereits im Privatbesitz befindliche Grablegung Jesu gesehen, welcher
man tüchtige Färbung und Zeichnung und eine ernste Stimmung nicht ab-
sprechen kann. Aber idealeren Gehalt hat sie nicht. Der in's Dunkel der
Felsenhöhle rechtshin vorangehende Fackelträger ist kann: erkennbar; den Leich-
nau: Jesu trügt bei deu umhüllten Füßen ein Mann nut aufgestülpten Aermeln,
dei: wir nur von: Rücken sehen; unter den Achsel:: trägt den unverhüllten,
zusammengesunkenen Oberkörper ein anderer halbnackter Mann. Beide ver-
richten Knechtsarbeit, von der zarten Liebesarbeit der zwei „frommen Jüden"
Nikodemus uud Joseph von Arimathia ist nichts zu merken. Während Johannes
bleichen, Hagern, spitzigen Angesichts sich theilnehmend zu den: todten Herrn
beugt und die rechte Hand an die Stirne Jesu legt, sitzt die Mutter Jesu in:
dunkeln Gewände, das Haupt dunkel umschleiert und das Antlitz mit beiden
Händen bedeckend, schmerzlichst vorgebeugt links auf einer Felsenbank. Diese
ganze sehr realistische Darstellung ist nicht unwürdig, nicht unheilig, aber den
Charakter heiliger Geschichte, den Ausdruck heiliger Empfindung trägt sie doch
nicht: es geht deu: Bilde die religiöse, die erbauliche Wirkung ab, die wir von
einen: biblischen Gemälde fordern. Ob. der Künstler das Nägelmal in der rechten
herabhängenden Hand des Herrn nur vergesse:: oder mit Fleiß weggelassen hat,
wissen wir nicht. Auch die Seitenwunde ist nur ganz leicht angedeutet. Der religiöse
Eindruck des Bildes ist dadurch uicht verstärkt, der geschichtliche nicht gewahrt. —
Von Frankfurt ist jüngst eine Predigt und eine Versuchung Jesu ausgegangen
in Gebhardt's Fußstapfen, aber ohne dessen Talent, bei deren Anblick man
versucht ist, Gott um Schutz der Religion und der biblischen Geschichte vor
 
Annotationen