Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
171

Die Päpste der Renaissance. Von vr. Paul Tschackert, a. o. Prof. d. Theologie
in Halle a. S. Heidelberg. Carl Winters UniversitLtsbuchhandlnng, 1879.
Dieser schöne und geistreiche Vortrag bildet das 7. Heft der Sammlung
von Vorträgen für das deutsche Volk, herausgegebcn von Prof. W. Frommel
und Prof. vr. Fr. Pfaff. Der Redner will nur von den beiden Kirchenfürsten
sprechen, welchen man den Ehrennamen „Päpste der Renaissance" beilegt, weil
sie die Blüte dieser Kunstrichtung herbeigeführt haben, von Julins II. nnd
Leo X. Näher will er ihr Verhältnis zu den drei großen Meistern der Re-
naissance, Bramante, Michelangelo und Rafael ins Ange fassen. Weil beide
das seit zwei Jahrhunderten verwilderte und verödete Rom zur Kunststadt ge-
macht haben, sollen sie mit einander zugleich in Betracht kommen, obgleich sie
grundverschiedene Persönlichkeiten waren. Gemeinsam war ihnen nur der Schmuck
des Papstthums bei gänzlichem Mangel an geistlichem Sinn und theologischer
Bildung. Der niedrig geborne Julius, und Leo, das verwöhnte Kind des vor-
nehmen Hauses Medici, jener eine leidenschaftliche Herrscher- nnd Kriegerseele,
dieser eine phlegmatische Genußnatur -— beiden stellte „ein unerhörtes Glück"
die größten Meister der Kunst an den breiten Weg, welcher zum Theil gerade
durch ihre ungemeinen Schöpfungen mit zum Zeit- und Welt- und Kirchen-
verderben führen mußte.
Geistvoll führt der Redner nun aus, wie Bramante den unternehmungs-
lustigen Julius für den Bau der Peterskirche als einer Art neuen babylonischen
Thurmes, „deß Spitze bis an den Himmel reiche, daß wir uns einen Namen
machen," zu begeistern wußte, und wie das Papstthum gerade durch diesen Bau,
kraft dessen Petri Nachfolger „mit größerer Verehrung von allen Christenvölkern
angebetet werden und sicherer vor innern und äußern Feinden in Rom wohnen"
sollten, die Herrschaft über einen großen Theil Europas verloren hat, wenn die
Curie auch durch diese riesenhafte Weltkirche Führerin der Renaissance geworden
ist. Wir stimmen dem Redner bei, wenn er das Werk, das Bramante's Grund-
bau krönt, die majestätische Kuppel Michelangelos, nicht für das architek-
tonische Vermächtniß an künftige Geschlechter, wenigstens nicht für den evange-
lischen Kirchenban halten kann. Der Kuppelbau ist ja „in die katholische Kirche
eingedrungen, als sie bereits verweltlicht war, und die evangelische Kirche darf
sich diesen Styl nicht aneignen, weil er eine wesentliche Seite des christlichen
Glaubenslebens, das Streben nach Vollendung im Jenseits, nicht znm Ausdruck
bringen kann, sondern die Phantasie im Diesseits in der Schwebe hält." Wie
denn auch Michelangelos Kuppel selbst in der That nicht religiös wirkt, sondern
nur ästhetisch.
In Michelangelos grandiosem Moses zum befohlenen Juliusgrab findet
Redner ganz richtig die Seelenbewegung nicht religiös begründet, den Kopf zu
klein für den Riesenkörper, das Spiel der rechten Hand mit dem schön gerollten
Barte „vielleicht kokett" und den Faltenwurf auf dem eutblösten Knie „geradezu
unschön." Trefflich und begeistert schildert er sodann mit wenigen Worten die
Deckengemälde der siptinischen Hofkapelle. Die unerschöpfliche Erfindungskraft
in Darstellung schöner Körperformell weiß Redner zu schätzen; „allein dieser
 
Annotationen