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Himmel voll nackter Jünglinge, welche nur ihre schönen Muskeln zeigen, gehört
in kein christliches Gotteshaus, denn sie stören die Erbauung." Zu Rafael
übergehend nennt er Michelangelo reicher an Ideen und erhabener im Fluge
der Phantasie, aber „der jüngere Meister erhebt sich im Ebenmaß der Form
zu einer Vollendung, nach welcher Michelangelo als Maler stets vergeblich ge-
rungen hat." In Rafaels wundervollen Gemälden in den päpstlichen Prunk-
gemächern, in den Stanzen, „scheint jener naive Traum verwirklicht, mit dem die
Renaissance stand und fiel, der Traum, daß die Antike und der Katholizismus
harmlos in der Menschenbrust nebeneinander bestehen können."
Julius von Ravenna war groß, indem er die sich ihm darbietenden Künstler
vor aller Kleinlichkeit bewahrte, indem er ihre Kraft aus die ihrer würdigen
Aufgaben gespannt hielt. Dem freveln Genußmenschen Leo Medici, dessen
Schlaraffen- nnd Sündenleben unser Redner nut wenigen Zügen grell heraus-
hebt, fehlte der hohe Sinn seines Vorgängers: „Leo hatte kein Verständniß für
die Idealität der Kunst. Unter seinem Einfluß empfängt die römische Kunst das
Gepräge des Zierwerks anstatt des Denkmals. Der weibische Papst ließ Michel-
angelo, für dessen heroischen Styl er keinen Sinn hatte, fast unbeschäftigt; den
schönheitsvollen Rafael aber, welcher bereits in seinem herrlichen Heliodorbilde
den Schmeichelton gegen Jnlius angestimmt, verleitete er in den, auf allen vier
Wänden den regierenden Papst feiernden Gemälden der dritten Stanze zum
vollendeten Complimentirstyl. Und vollends schädlich wirkte Leo's niedriger
Sinn, indem er den genialen Rafael Jahre lang nur mit Ziermalereien be-
schäftigte. Denn selbst die 52 Bilder aus dem A. u. N. Test, in den Loggien
stimmt ihrer Umzierung find bei all ihrem bestrickenden Reiz nichts als liebliche
Spielerei. Man braucht nur Luthers Lehre von der Beschaffenheit des sündig
gewordenen Menschen mit Rafaels Eva nach ihrer Vertreibung aus dem Para-
diese zu vergleichen. Endlich — die reifsten Leistungen Rafaels, die herrlichen
Cartons znr Apostelgeschichte — hat der niedrige Sinn Leo's nur zu dem unter-
geordneten Zweck verwendet, daß sie flandrischen Webern zu Vorlagen für Wand-
teppiche in die Siptina dienen sollten." So der Verfasser, dem wir hierin
kaum Leizustimmen wissen.

Die In Bellum; m Münster.
Die Ausstellung westfälischer Alt e r t h ü m er und Kun st erze u g-
nisse, welche der Verein für Geschichte nnd Alterthumskunde Westfalens in
der Provinzialhauptstadt Münster in: Juni d. I. veranstaltet hatte, war
nicht nur ein sprechender Beweis für den konservativen Sinn der Bewohner
dieser Provinz, die das von den Vätern Ererbte Zu bewahren wissen, sie zeigte
auch, daß im Alterthum das Kunstgewerbe in Westfalen in hoher Blüthe stand
und mancher Meister kleiner Provinzialstädte in alter Zeit vor berühmten Namen
sich nicht zu schämen brauchte. Jedenfalls war es wieder dankenswert!.), daß
der genannte Verein, der sich überhaupt um die Geschichte jener Provinz sehr
 
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