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Siegel vieler Handwerksgilden und sonstiger Korporationen in Betracht kommen,
die zum großen Theile das Bild des Schutzpatrons der Gilde oder eines von ihr
gestifteten Altars zeigen (Beispiele bei Voßberg a. a. O. Taf. kd. 1.), ebenso ein
großer Theil der Siegel der Universitäten nnd ihrer einzelnen Fakultäten, sowie von
fürstlichen nnd weltlichen Privat-Personen, welche letzteren vielfach das Bild des
Siegelführers in Begleitung oder Verehrung seines Schutzheiligen, seltener das
Wappen mit dem Schutzheiligen als Schildhalter darftellen.
Eigentliche Kirchensiegel im heutigen Sinne als amtliche Ausrüstungs-
gegenstände der Pfarrer zur Bescheinigung von Auszügen aus den Kirchenbüchern
der Parochie und sonstigen kirchlichen Urkunden, sowie zum Verschlüsse ihrer
amtlichen Briefe kommen im Mittelalter nur ganz selten vor. Das in den
Siegelumschriften sehr häufige mA. soolosiae idi. idi. bezeichnet der Regel
nach das Siegel eines Stifts, allenfalls auch eines Klosters. Dies liegt in
der ganzen Anschauung des Mittelalters begründet. Der abstrakte Begriff einer
Würde, eines Amtes, einer Genossenschaft, einer Anstalt, die, abgesehen von den
wechselnden augenblicklichen Inhabern, dauernd als geistige Wesenheiten bestehen,
ist ihm ganz fremd. Es kennt nur die Person, die eine Würde trägt durch Geburt
oder Wahl, die Person, die ein Amt führt, die Personen, die eine Genossenschaft
bilden, eine Anstalt vertreten. Daher die feierlichen und weitläufigen Förmlichkeiten,
niit denen bei jedem Personenwechsel oben oder unten Rechte und Pflichten des
Amtes, der Würde, der Körperschaft erst jedesmal wieder erneuert werden mußten.
Demgemäß heißt es in den Siegel-Umschriften nicht: si^. oivitackis (Siegel
der Stadt) idl. idi., sondern MA. dnr^snsinin (Siegel der Bürger) in idl.,
nicht Siegel der Bäckergilde, sondern Siegel der Bäcker zu idi. idl., nicht 8i^iUnin
inonLstorii, sondern siss. oonvontns kratrniu oder blos kratrnin oder xraa-
xositi st oonv6ntn8 in idl. U., oder wie es in einer im Mittelalter bei kirch-
lichen Siegeln überaus selten vorkommenden deutschen Umschrift einmal lautet:
8. NUMU VM 8^VL8DÜ 20 (Orig.-St. im Staats-
Archiv zu Stuttgart). Es heißt nicht xrasxositnrne, sondern si^. xras-
xositi, und dann folgt der Name des augenblicklichen Inhabers der Würde,
und jeder folgende mußte sich ein neues Siegel stechen oder das seines Vor-
gängers durch allerhand Umarbeitungen, namentlich in der Umschrift, für seine
Person zurichten lassen. Ein Beispiel solcher Umarbeitung ist der berühmte in
denkbarster künstlerischer Vollendung gestochene Stempel des Friedrich Pistorius,
letzten Abtes der 1528 aufgehobenen Schotten-Abtei St. Egidii zu Nürnberg
(im dortigen Kreisarchiv), der in Wirklichkeit der Mitte des 15. Jahrhunderts
angehört und ursprünglich einen ganz anderen Namen getragen hat, von dem
noch Reste unter dem gegenwärtigen Jnschriftbande zu erkennen sind. Aber
selbst auf solchen Siegeln von Würdenträgern, die nicht ans den Namen eines
bestimmten Inhabers lauten, sondern — wie das bei ärmeren Stiftungen häufig
vorkam — mit der Würde selbst sich an eine ganze Reihe von Inhabern ver-
erbten, heißt es in älterer Zeit doch gleichfalls stehend si§. xraexositi oder
aiaidatissas oder dergleichen in idi. ^., die abstrakten Ausdrücke wie praoxositnrao,
civitatis u. s. w. aber gehören erst der späteren Hälfte des Mittelalters an.
 
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