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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 24.1882

DOI issue:
Nr. 3 (1. Maerz 1882)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44532#0046
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lich angewcndet wurde, die sogenannte reducierte, welche sich durch große Einfach-
heit in der ganzen Formcnbildnng kennzeichnet. Sie hat zu Anfang zwar Werke
von edler, jungfräulicher Schönheit hervorgebracht, mußte aber bald in Nüchtern-
heit und Trockenheit ansarten. Und es ist nicht bloß ein zufälliger oder rein
äußerlicher Umstand, daß diese oft gar langweilige und prosaische Stiefschwester
der reichen poesicvollen Hochgotik sich bei den Bettelmönchen einbürgcrte; sic
wurde ihnen nicht etwa bloß durch die Ordensregel aufgedrängt, denn die eben-
falls an Einfachheit gebundenen Cistercienser haben viel Schöneres geleistet, nein,
sie entspricht dem trockenen Geiste der dürren Scholastik, welche von den Bettel-
orden so bald in Erbpacht genommen wurde. Daß sie durch häufige Anwendung
dieser reduzierten Gotik der reichen Entfaltung der gotischen Formen Abbruch
thaten, ist wohl kaum zu bezweifeln.
Zu einer vollständigen Baugcschichte der Orden fehlt es an genügend zu-
verlässigem und hinreichendem Material, doch scheinen die Franziskaner im
l5. Jahrhundert mehr als im 14., die Dominikaner hingegen im 14. Jahrhundert
mehr als im 15. gebaut zu haben.
Was die Planbildnug der Kirchen betrifft, so zeigt dieselbe da, wo man sich
mit einem Schiff nicht begnügt hat, in der Regel eine dreischisfige basikale An-
lage, welche später dem Hallenban Platz machte, mit einschiffigem langem Chor:
die Abseiten enden gerade. Die Abweichungen von dieser Regel in Breslan und
Lübeck sind oben erwähnt worden. Die Katharinenkirche in der letztgenannten
Stadt hat niedrige Seitenschiffe, welche östlich von der Vierung wcitergchen und
deren dreiseitiger Schluß sich von der Längenaxe nach außen biegt: eine Eigen-
tümlichkeit, für welche Denlschland unr noch sehr wenige Beispiele bietet, und welche
wohl, ähnlich wie die oben erwähnten siebenseitigen Chorschiffe aus dem Zehncck
als ein Versuch auzuseheu ist, für den fehlenden Chorumgang einen Ersatz zu
schaffen.
Besonderer Besprechung bedürfen hier diejenigen Ordenskirchen, welche diese
dreischisfige Anlage in verstümmelter Form haben, indem nur das eine, dem
Kreuzgang entgegengesetzte Seitenschiff vorhanden ist, und daher als unsymmetrische
zweischiffige Anlagen bezeichnet werden. Man darf nicht glauben, daß diese Art
von Kirchen eine Besonderheit der Bettelvrden sei. Wenn sie auch bei diesen
öfters erscheinen, kommen sie doch mindestens ebenso häufig als Pfarrkirchen
kleinerer Orte, in einzelnen Fällen auch bei anderen Orden (Cisterciensern, Angu
stiuern, Karmelitern, Serviten) als Kapellen, auch als Spitalkirchcn (Passau,
St. Johann) vor, so daß es scheint, als könnten sie durchweg als Kirchen nie-
deren Ranges bezeichnet werden. Außerdem haben sie ein ziemlich genau ab-
gegrenztes Gebiet, in welchem sie eigentlich heimisch sind. Von den 42 Kirchen
mit nur einem Seitenschiff, welche uns anfgestvßen sind, liegen 38 in dem etwa
von der Mosel, dem Main und der Elbe umschlossenen nordwestlichen Teile
Deutschlands (Ahlen, Alsfeld, Altenburg, Andernach, Bittburg, Calderen, Cassel,
Cleve, Cönnern, Datteln, Dortmund, Dresden, Fritzlar, Hamm, Hannover, Hat-
tendorf, Hildesheim, Höxter, Iserlohn, Kaiserslautern, Lichtcnau, Liesborn, Lipp-
stadt, Marburg, Marienfeld, Metelen, Oberwesel, Obcrwintcr, Ophcrdike, Rauschen-
 
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