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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 50.1908

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Nr. 3 (März 1908)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44122#0112
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Schüler Raffaels; ganz offen und ausgeprägt ist dies Verhältnis in der vene-
zianischen Schule und bei den Süditalienern. Bezeichnenderweise aber trat die
völlige Verweltlichung der Malerei im Süden nie so stark hervor als in dem
die schärferen Gegensätze liebenden und hervorkehrenden Norden. Es war ein
Seitensproß des deutschen Stammes, der zn dieser letzten Konsequenz fortschritt,
der holländische, während die Kunst des deutschen Hauptstammes, ivie sie von
Dürer und Holbein — auch Peter Vischer ist nicht zu vergessen — vertreten
wird, noch ganz in den Formen der deutschen Innerlichkeit bleibt. In ivie hohem
Grade dies noch der Fall ist, zeigt vor allem die Bevorzugung des Griffels vor-
dem Pinsel: „Die Farbe hätte zu sehr den Abstand des bloß Gedachten von dem
leibhaft Wirklichen geoffenbart." Es zeigt sich darin auch der ganze Unterschied
der deutschen Gedankenkunst von der südlichen, vor allein aus der Freude an der sinn-
lichen Erscheinung entspringenden italienischen Kunst. Der Protestantismus in seiner
nordisch-deutschen Innerlichkeit schließt denn auch die bildende Kunst samt der
Architektur aus seinem Bereiche aus. An Stelle von Malerei und Plastik, die
im gotischen Dom das Göttliche selbst in sinnliche Gegenwart rückten, tritt das
geistliche Lied, der Choral, der die Taten Gottes ganz ins Innere des Herzens
und Gewissens verlegt.
Nur bei den Vlamen und Niederländern erhält sich die Freude an der
Außenseite des Lebens, ja es findet bei ihnen, wie schon angedentet, der sinnlich
weltliche Zug der Malerei erst seine volle Entwicklung. Zn der großen Kunst
eines Rubens ist das geistige Element nur noch in der pathetisch gesteigerten
Erscheinung des Sinnlichen, Fleischlichen wahrzunehmen. Dieses Pathos, nach
Planck der letzte Rest des südländischen Idealismus, gibt noch der feineren vor-
nehmeren Kunst des van Dyck ihr Lebenselement, während es in dem konsequenten
Realismus Rembrandts nur noch als „die den Eindruck der lebendig getreuen
Wirklichkeit erhöhende Macht der Gesamtbeleuchtung, des Lichts, der Farbe und
des Dunkels erscheint. Wenn man nicht auch
noch den Trotz, mit dem sich bei ihm die ge-
meine Wirklichkeit in ihr Recht einsetzt, als
neue Art von pathetischem Idealismus an-
sprechen will. Aber auch dieser letzte Rest von
subjektiver Reguug muß in der niederländischen
Malerei schwinden, und die Kunst sucht ihre
Betätigung nur uoch in der kräftigen Hervor-
hebung der getreuen Wirklichkeit" in der über
dem Ganzen lagernden Stimmung. Dieses
Ende der scheinbar noch ganz aus dem reli-
giösen Idealismus herausgewachsenen italienisch-
niederländischen Renaissancemalerei beweist ivie
nichts anderes die Wahrheit von Plancks Auf¬
fassung, wonach von Anfang an der neu er-
wachte naturalistische Formsinn jene religiöse
Welt nur noch als Stoff benutzte, sich zunächst Ch^istuAi'rV°°ni
 
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