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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 50.1908

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Nr. 5 (Mai 1908)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44122#0175
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nicht vorüber. Wenn sie ihn auch anfeinden, so siegt seine Sache in letzter Linie
doch, und die Zahl derer, die für Christus und für christliche Kunst sind, ist
doch immer wieder die größere."
Uhde selbst haben die Kämpfe müde gemacht. „Man ist verbraucht!" Uhde
ist bald, uachdem ich ihn sah, in schwere Krankheit gekommen und heute noch
nicht schaffensfähig. Möge ihm noch einmal Kraft aus der Höhe geschenkt werden.
Für den Augenblick gibt Uhde seine Position verloren. Es ist niemand da, der
weiterbaut. Aber der neue Zug in der Kunst zu Mystik und Ideologie ist ihm
doch zukunftsverheißend. Er glaubt an eine kommende Künstlergeneration, die
das Große wird leisten können. Ich sprach mit ihm von den vielen Situationen
des Neuen Testaments, die noch der Darstellung im protestantischen Geiste harren.
Da meinte er: „Es kommen noch solche, die das machen werden, Talente mit
ausgezeichnetem technischen Können." Aber bei ihm selbst ist die künstlerische
Kraft noch lange nicht zu Ende. Dies und jenes beschäftigt ihn unablässig:
„Wie inan das machen könnte" — und seine Ausschau geht von der heimlichen
Weihnacht bis zu dem Höchsten, was Christus im Gleichnis zu uns geredet hat.
Mit großer Gelassenheit sprach der Künstler davon, daß noch nie jemand
an ihn gekommen sei, in eilte Kirche zu malen. „Es ist ja ganz selbstverständ-
lich, daß man die Bilder für eine Kirche anders gestalten müßte, — schon die
Architektonik verlangt das." — — —
Eine Stunde später stand ich noch einen Augenblick mit dem Künstler am
Starnberger See. Helle Wolken kamen von dem Gebirge her über die Wellen.
An diesem See-Ufer hatte er Christum gesehen, um die Abendsonne, wie er den
Leuten predigte, sitzend im Kahn. —
Die Erkenntnis der Sonderart, ivie Christus iu einem solchen Künstler
Gestalt gewonnen hat, gehört zu den tiefsten Blicken in die geistbeherrschende
Macht dieses Jesus von Nazareth, der gestorben ist und lebt — da lebt, wo
ängstliche Jünger „Welt" und nichts als „Welt" argwöhnen möchten. Es muß
ein großer Glaube an diesen Christus sein, wenn man von dessen „Jüngern"
ost so wenig Spuren des Geistes und der Liebe zu spüren bekommt. Es ist
das Genie, das diese Seelenstärke hat, und der Künstler ist der Glückliche- der
in die Stille gehen und — warten kann. —

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