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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 51.1909

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Nr. 4 (April 1909)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44121#0126
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gemacht hat, wie oft er eine wohl motivierte Stellung und Haltung für sie
suchte, bis er sie als unmöglich für immer verwarf. In der kunstvoll gebauten
Gruppe des Jakobus, Thomas und Philippus war kein Platz mehr für eine
bedeutende Hand; da strich er sie lieber weg, als daß er sich durch das
tyrannische Zahlprinzip zu einer Geschmacklosigkeit verführen ließ. Das Genie
ist wohl exakt, aber niemals Pedant.
Ist es aber nicht merkwürdig, daß es immer linke Hände waren, die
dem großen Meister Schwierigkeiten schufen? Zwei linke Hände gerieten ihm
schlechter, die dritte mußte er weglassen. Und das kam daher, weil ihm,
dem scharfen Naturbeobachter, die rechte Hand die größere Ausdrucksmög-
lichkeit bot. Obwohl Lionardo selbst sich beim Zeichnen und Schreiben mit
Vorliebe der linken Hand bediente, zwang sich die geringere Entwicklung, die
die linke Hand der meisten Menschen gewohnheitsmäßig unterliegt, doch de n
Anatomen und Maler bei seinem darstellenden künstlerischen Schaffen viel-
leicht unbewußt, aber wie ein Gesetz auf, und es gelang ihm nicht, diese
natürliche Nngelenkheit in der Darstellung spurlos auszugleichen. Aber weit
entfernt, darin bei Lionardo eine Grenze seines künstlerischen Könnens zu
sehen, empfinden wir vielmehr diese leise Herrschaft der Natur über die Kunst
als einen Triumph der Wahrheit und der Schönheit zugleich, indem sie uns
deutlich zeigt, wie untrennbar das große Genie auch im kleinsten mit der
Natur verwachsen ist und wie herrlich es dennoch den Stoff in der schönen
Form überwindet. Lic. Karl Bornhausen-Marburg/Lahn
S

Sebastian Bach im Gottesdienst
^m Oktoberheft v. I. hat uns der Herr Herausgeber beherzigenswerte Gedan-
<)ken über eine deutsche Messe vorgetragen, wobei er sich die musikalische Auf-
führung von Gemeindegesang und Gebet umrahmt, nicht aber durch eine
Predigt oder Rede ergänzt denkt. Seiner Aufforderung entsprechend teile
ich die Erfahrungen mit, die wir in der Stuttgarter Markuskirche mit
einem Kantatengottesdienst gemacht haben, um daran einige allgemeinere
Bemerkungen über Kirchenmusik und Gottesdienst zu knüpfen, wobei ich mich
freilich von vornherein als musikalischen Laien bekennen muß.
Nach eingeholter Erlaubnis wurde zu unserem Versuch der Abend-
gottesdienst des 2. S. p. Epiph. und Bachs Kantate: Herr, wie du willst,
so schick's mit mir (Kant, auf 3 Epiph.) gewählt. Die Anordnung des Gottes-
dienstes war, mututi8 inutcmeiis dieselbe, wie in den Gottesdiensten, für
welche Bach seine Kantaten schrieb, nur daß selbstverständlich die Dauer von
3—4 Stunden der damaligen Zeit auf 1 Stunde eingeschränkt wurde:
Orgelvorspiel von Bach, dann Gemeindegesang: Befiehl du deine Wege,
 
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