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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 51.1909

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Nr. 6 (Juni 1909)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44121#0202
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Parteiblatt betrachtet werde, sondern nur als Organ des
Fortschritts.
Und daß Fortschreiten nicht Parteisache ist, das hat ja die dentsche
evangelische Kirchenkonferenz in Eisenach im Sommer 1908 klassisch er-
wiesen.
Das Nene nimmt im Augenblick des Kampfes den Charakter der
Partei an. Aber wenn man sich klar gekämpft hat, reichen sich immer die
besonnenen Elemente von rechts und links die Hand und über dem Denk-
mal dieses Regulativs können wir uns alle getrost die Hand geben und
die Verfasser als Lehrmeister nicht nur des Bauens, sondern auch des ruhigen
Sichausgleichens betrachten.
Ein Meisterwerk dieser echt evangelischen Freiheit scheint mir der elfte
Satz über Stellung der Orgel und des Sängerchors. „Trotzdem sich Be-
denken erheben lassen" — soll es nicht unzulässig sein, Orgel und Sängerchor
hinter Altar und Kanzel zu legen.
Mehr kann man nicht verlangen und die stärksten Verfechter der Orgel
und Sängerempore hinter dem Altar müssen zugeben, daß es eben tatsächlich
Bedenken gibt. Wenn in Ziffer 10 gesagt ist, daß, „wenn irgend möglich", der
Platz der Kanzel so zu wählen ist, daß nicht ein Teil der Gemeinde hinter dem
Rücken des Predigers zu sitzeu kommt, so kann man daraus schließen, daß
im Falle axialer Kanzelstellung vor dem Altar — die Orgel nicht im
Rücken sein soll. Es ist ja auch tatsächlich so, daß man künstlerisch und
ästhetisch befriedigende Lösungen für den vom Regulativ abgelehnten Fall
schwer findet. Es heißt aber auch nur: „wenn irgend möglich". Wenn also
mal ein genialer Baumeister die Sache nach allen Seiten gut löst, so soll
auch nichts eingewendet werden.
Artikel 9 scheint unserer Taufkapelle sogar den ersten Vorzug
geben zu wollen und sieht auch für andere Grundrißanordnungen dasselbe
vor, was wir wünschen: der Taufstein kein verlorenes Bauglied, sondern
ein wichtiges, organisches, architektonisch betontes Bauglied der Kirche!
In Artikel 7 wird sogar freigestellt, ob ein besonderer Altarraum
angelegt werden wolle.
Wenn es dann heißt, daß es bei der Bildung des Altarraums mehr
auf die Breite als auf die Tiefe ankommt — besonders nach dem Schiffe der
Kirche hin, so ist diese Definition nichts anderes als eine Umschreibung
dessen, was ich auf dem Kirchenbautag „Chorbucht" genannt habe.
Wenn in Artikel 13 der Gruppenbau („angemessene bauliche
Verbindung der Kirche mit Pfarrhaus, Küsterwohnung und Gemeindehaus")
— als „nicht zu beanstanden" gewertet wird, so mag dieser Stil vielleicht
manchem etwas zu kühl klingen. Wenn ich daran denke, wie in einzelnen
Großstädten (Mannheim, Frankfurt) solche Gruppenbauten wie kirchliche
Hochburgen dastehen, so möchte ich an dieser Stelle den kühlen Ausdruck:
„nicht zu beanstanden" etwas erwärmen und bitten, daß man da, wo man
in Großstädten Kirchenbauplätze kaufen muß, wenn irgend möglich, sein
 
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