Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 51.1909

DOI Heft:
Nr. 7 (Juli 1909)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44121#0221
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
. 196

lichen lenken, und wenn er sich an ihrem Reichtum satt und müde geschaut
hat, zur Erholung durch die stillern Säle der Profanen wandern. Ihr Vor-
sitzender, Professor Heinrich Hermanns — unsere Leser kennen ihn von
seinem feinen Aquarell: Inneres des Pestalozzihauses, November 1908 —
hat, von schwerer Krankheit zu neuem Leben und Wirken erstehend, den
Befähigungsnachweis als Ausstellungsleiter glänzend erbracht.
Doch man mag noch so sehr die Gesichtspunkte idealen Wettbewerbes
ins Licht rücken: für die christliche Ausstellung wurde die Raumnot be-
denklich. Da ging man hin und machte aus der Not eine Tugend. Wozu
denn so viel freier Raum neben dem Palast? Der forderte ja ordentlich
auf zu Anbauten, namentlich für den architektonischen Teil. Und weil man
mit dem Anbauen angefaugen, fuhr man mit Einbauen fort. Niemand
wird mehr die langweiligen Säle von ehedem erkennen. Da sind überall,
den Gegenständen angepaßt, gemütliche Räume, lauschige Winkel, in die
eben nur so viel Tageslicht dringt, als den Schätzen, die sie bergen, guttut.
Was man mit einigen Ballen Rupfen und einigen Säcken Gips und Karren
Sand nicht alles zuwege bringt wenn der Architektengeist sich ihrer
bemächtigt. Die Ausstellung war auch in dieser Richtung wohl beraten:
Board ist von Haus aus Architekt, und ihm zur Seite standen der Düssel-
dorfer Meister des Kirchenbaues, Kleesattel, und der Kunstgewerbelehrer
Lauweriks.
Nun möchte manch einem Liebhaber des Echten das Gruseln ge-
kommen sein, als ich von Rupfen- und Rabitzwänden sprach. Ich kann ihn
versichern, daß das Mittel zum guten Zweck ein guter war. Eben diese
leichten Einbauten, die keineswegs Echtheit vortäuschen wollen, denen man
ihre Augenblicksbestimmung von weitem ansieht, bringen das Bleibende
recht zur Geltung. Sandstein, Marmor, edles und unedles Metall, kost-
bares Holz treten um so deutlicher in ihrem Wert hervor. Es galt ihnen
einen Rahmen schaffen, weit genug, daß der bildende Geist sich recken
konnte, eng genug, daß auch die feinsten Einzelheiten nicht fürchten mußten
unterzugehen. Beim ersten Rundgang glaubt man in ein Labyrinth ge-
raten zu sein, und man greift zum Ariadnefaden Situationsplan, um sich
wieder herauszufinden. Erst allmählich geht einem die Einsicht auf, wieviel
Plan im ganzen steckt, wie organisch sich die Teile nicht nur aneinander-
schmiegen, sondern ineinanderfügen. Und man beginnt sich zu freuen
der prächtigen Perspektiven und Farbenwirkungen. Wie die Enthüllung
eines Geheimnisses tritt dem ahnungslos Herkommenden dies und jenes
Bild entgegen, das, statt plötzlich in seiner Wucht aufzutauchen, dem Be-
sucher erst unter einem Abschlußbogen hindurch zugrüßt, ehe es sich an seiner
ganzen Ausdehnung entfaltet. Die frei waltende und Neues schaffende Bau-
meisterphantasie hat, die von ihr beseelt sind, viel Anfechtung eingetragen.
„Wie springt ihr auch mit unfern schönen Sälen um!" Um so freudiger
sei hier das nach meiner Ansicht Lobenswerte und Vorbildliche dieses Aus-
stellungsmodus betont. Was uns voriges Jahr in München und in Stutt-
 
Annotationen