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in vielverheißenden Anfängen, einer nicht bloß schlechthin religiösen, sondern
spezifisch kirchlichen Kunst stehen.
And endlich noch ein Kompromiß, tief einschneidend in das Werden
der christlichen Kunstausstellung, doch der gewordenen nicht zum Anheil ge-
reichend. Das Plakat weist eine silhouettenartig gehaltene Frauengestalt
auf, die Genie der Kunst. In jeder Hand hält sie ein Figürchen, in der
rechten die Nürnberger Madonna, in der linken eine antike Venus.
Mußte 1908 die christliche Ausstellung einer sehr weltlichen das Feld räumen,
so durfte sie es 1909 nicht allein behaupten. Es fing an mächtig zu gären
in der Reihe der Düsseldorfer Künstlerschaft, soweit sie die profane Kunst
pflegt, als die Vertreter der religiösen Kunst den Ausstellungspalast für sich
begehrten. Den Gründen und Berechnungen jener konnte man sich nicht
völlig verschließen. „Wir gehören auch zu den Lebenden, und wir leben
auch von den Segnungen der Ausstellungen. 1907 waren wir an der Reihe,
euer 1909 verdirbt uns 1910; denn zwei Jahre hintereinander eine Schau
zu veranstalten, ist des Guten zuviel, und bis 1911 oder 12 zu warten, dauert
uns zu lang." Zudem mochte das drückende Gefühl mitwirken, daß es etwas
gutmachen galt, was die Ausstellung von 1907 gefehlt, auf die von München
und Norddeutschland her reichlich viel Schundware geraten war, die der
soliden, einheimischen Auslese eben doch geschadet hatte. Es gab heiße
Kämpfe innerhalb der Künstlerrepublik; aber diese Kämpfe endeten wie
so oft in einem Vergleich, der beide Teile, wenn auch nicht zum Triumphieren,
so doch zum Schweigen und Sichzufriedengeben brachte. „Halbpart, Bruder!"
Wir erhielten also zwei Ausstellungen und damit die Nötigung zu neuem
Wetteifer zwischen den Christlichen und den „Auchchristlichen", wie sie bei
der gemeinsamen Weihe genannt wurden. And wahrlich, unchristlich ist das
vornehme Weltkind zur Seite uicht. Die Frivolitäten und Antermittel-
mäßigkeiten der Vorgängerin sind in den Froschpfuhl verbannt. Dazu darf
das ganze Arrangement als mustergültig, als bahnbrechend für künftige
Ausstellungen bezeichnet werden. Da sind nicht mehr die überladenen
Wände, bei deren Anblick es einem vor den Augen flimmert und der Mut,
es mit dem eingehende» Beschauen aufzunehmen, entfallen will. Man
glaubt sich in die Privaträume eines edlen Pflegers der Kunst versetzt,
der nach dem Grundsatz: vom Guten das Beste und dieses Beste in ent-
sprechender Verteilung auf den reichlich bemessenen Raum, seine Galerie
aufgebaut hat. Es mag freilich ein unerbittliches Gericht viele sehnliche
Wünsche nach einigen Quadratfuß Wandfläche vernichtet haben; aber dem
Ganzen hat diese unnachsichtliche Bevorzugung des guale vor dem guantum
nur genutzt. Bei der Christlichen mußte man naturgemäß, um ein auch
nur annähernd vollständiges Bild des heutigen Schaffens zu geben, die
Bedingungen für die Aufnahme weiter stecken. Daß trotzdem, wie wir sehen
werden, so viel echte Stimmung hineingekommen ist, darf als ein be-
sonderes Meisterstück der Ausstellungstechnik gelten. Wer aber diesen
Sommer nach Düsseldorf geht, der möge seine Schritte zuerst zur Christ-
 
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