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Mai 1909

Einundfünfzigster Jahrgang

Nr. 5

Christliches Kunstblatt


für Kirche, sss
Schule und Haus

Herausgegeben
von David Koch

Preis für das Vierteljahr 2 M.
gu beziehen durch alle Post»
ä in t e r n. B u ch h a n d l u n g e n

Erscheint monatl. in einem tzeft zu
32 S. u. enthält viele Textillustr.
1—2 Kunstbeil. u. bisweilen Noten

Maienzeit


nser großer Aufsatz über Calvin liefert den Beweis, daß das Kunst-

^^verständnis und Bedürfnis des Genfer Reformators lange nicht so
barbarisch war, als man im allgemeinen annimmt.
Man hat auf der ganzen Linie der Reformationskirchen bisher noch
zu wenig die eine Tatsache beachtet und verwertet, daß unsre gebildeten
Protestanten sehr kunstliebende und häufig auch sehr kunstverstehende Leute
geworden sind. Kommt die Kirche dieser Kulturerscheinung in unsrer Zeit
entgegen, so schraubt sie sich nicht zurück auf katholische Weltanschauung,
sondern schreitet fort mit einer Kunstbewegung, die gerade aus den prote-
stantischen Kreisen Deutschlands hervorging.
Diesen Willen zur Kunst beginnt die evangelische Kirche jetzt in ihre
neuen Kirchen zu übertragen — das neue Eisenacher Regulativ ein klassischer
Beweis, von dem wir bald reden, ein starker Sieg unsrer Ideen. Aber wir
müssen noch weiter gehen und erkennen, daß die modernen Menschen auch
zur Natur und Landschaft ein andres Verhältnis bekommen-haben. Der Natu-
ralismus hat sehen gelernt und mit künstlerisch gebildeten Augen und dich-
terisch geweckten Sinnen lernt unsre Jugend Gottes Natur neu verstehen.
Diese Naturfreude und Natursehnsucht ist teilweise die Reaktion gegen die
landschaftliche Großstadtarmut und den degenerierten Realismus, teilweise
erklärt sich ihr Erwachen aus der Nraulage des deutschen Gemüts für
Romantik.
Ein Volk, das diese Anlage hat, wird immer auch religiöse Kraft aus
dem göttlichen Reich der Natur ziehen. Das hat ja Paulus sogar zu einem
Gottesbeweis, Römer Kap. 1, verwendet. Also begehen wir nichts Revo-
lutionäres gegen die christliche Religion, wenn wir im Geiste der Psalmen,
im Geiste Christi und Pauli unser heutiges uaturempfängliches Geschlecht
auch mit dem Mittel der Anschauung der Schöpfungswerke religiös an-
regen wollen.
Maienzeit! Blumenzeit in süßem Duft! Waldherrlichkeit im jungen
Grün. — Maienzeit — Jugendzeit!
 
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