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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 51.1909

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Nr. 11 (November 1909)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44121#0359
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herrlichung Raum. So hat denn auch der Katholizismus in der Zeit
seiner unreflektierten Selbstzuversicht eine großartige und eigentümliche
Kunst hervorgebracht, die freilich wesentlich um religiöse Gedanken und
um den Kultus sich sammelt." Sehr wertvoll ist für mich, daß Troeltsch keinen
qualitativen, sondern nur einen quantitativen "Unterschied zwischen katho-
lischem und protestantischem Kunstwollen zugibt, wenn er fortfährt: „Der
Protestantismus war hierzu von Hause aus weit weniger befähigt. Seine
Religion der persönlichen Überzeugung stimmte ihn zur Reflexion, und
seine innerweltliche Aszese war einerseits zu reflektiert, um sich selbst in
Poesie umzusetzen, und «anderseits zu radikal in den Gesamtumfang des
Lebens hineingetragen, um der Sinnlichkeit ein selbständiges Recht zu lassen.
Gleichwohl hat auch er den natürlich enDrang zur künstle-
rischen Verkörperung seiner Idee empfunden und blieb
auch er nicht ohne GefühlfürdendasLeben veredelnden Schmuck
der Künste. Er ist nicht wesentlich bilderstürmerisch,- er hat die Bilder
nur als Gnadenmittel verboten; im übrigen haben nicht bloß Luther,
sondern auch Calvin und Zwingli »edle Künste« geliebt und gebilligt . . ."
Auf diese und die weiteren Ausführungen von Troeltsch will ich später
eingehen. In unserm jetzigen Zusammenhang aber sind mir die Schluß-
worte von Troeltsch besonders bedeutungsvoll: „Also die protestantische
Aszese hat die Kunst nicht unmöglich gemacht, aber sie hat sie gern nur als
Schmuck des Lebens oder des Kultus betrachtet oder ihr belehrende
oder moralisierende Zwecke zugeschrieben. Eines jedenfalls hat sie nicht
getan und konnte sie nicht tun, nämlichdie Kun st als ein selb st än-
diges Prinzip des Lebens, als eine Offenbarung der Ethik und
Metaphysik betrachten, die gerade in der künstlerischen
Verklärung des Sinnlichen und der Versinnlichung des
Geistigen aus ihre Weise den Sinn der Welt und des
Lebens erblicken läßt. Gerade das aber ist das Werk der
modernen Kunst."
Troeltsch hat in seinen Ausführungen nicht untersucht, inwieweit die
protestantische Kirche diese Kunst „als selbständiges Prinzip des Lebens"
in ihre eigenen Bildungselemente und Mittel aufnehmen soll, inwieweit
diese neugeweckte Menschheitsgabe der Kunst nicht auch spezifische Ausgabe
der protestantischen Kirche ist. Das ist in diesem Augenblick auch noch
nicht in einer abgeschlossenen Theorie zu sagen. Aber die hiebei leitenden
Gesichtspunkte möchte ich doch jetzt schon für meine künftigen Ausführungen
andeuten:
1. Es ist jetzt empirische Tatsache geworden, daß der Protestantismus
modern kunstschöpferische Elemente enthält, die der Protestantismus als
ureigenste Kunstkräfte für sich beanspruchen darf. Diese Eigenkräfte liegen
sowohl auf dem Gebiete der Malerei: Uhde-Gebhardt-Steinhausen — als
auf dem Gebiete der Architektur: Künstler des neuprotestantischen Kirchen-
baus (ich nenne hier absichtlich keine Namen). Wer die führende Rolle in
der modernen christlichen Kunst hat, das hat Düsseldorf klar gezeigt.
 
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