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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 55.1913

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Nr. 10 (Oktober 1913)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44561#0407
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378
Christliches Kunstblatt für Rirche, schule und Haus
Nr. l O

„Neuem" sprechen kann. Und soweit man von denen, die ihm angehören, er-
warten kann, daß sie ihren Beruf nicht nur als Selbstverherrlichung ihres mensch-
lich und sittlich manchmal so armen Ich auffassen, sondern endlich auch erkennen,
welche Pflichten sie zu erfüllen und welche Aufgaben sie zu lösen haben. Nicht
mit schönen Worten und allerlei idealen, aber auch nur sehr selten originellen
Gedanken, sondern mit einem Wollen und Gun, das sie hoch emporhebt über
die Niederungen des Alltags und sie, die Künstler, denen doch der Menschheit
Würde in die Hand gegeben ist, vorbildlich machte für alle, die im hasten und
Jagen des Daseins nur seltene Stunden der Nuhe finden für das, was jenseits
der Grenze des einförmigen Berufs und im Reiche der himmmelwärtsstrebenden
Gedanken, die doch auch ihnen gehören sollen, liegt.
Wir wissen wohl, was da von dem Künstler gewissermaßen als Lebensnorm
verlangt wird, ist schwer. Nicht als ob er ihr nicht folgen könnte. Er will nicht.
Sein ganzes Leben, sein Tun und Lassen von Iugend an drängt ihn so sehr
nach fremdem Beifall, daß er darüber alles vergißt, was er an Willen und
Nonnen sein eigen nennt. Der Dienst der Nunst, sei es nun die des Schauspielers
oder des Musikers, verweichlicht, weil er ihre Iünger förmlich zwingt zu einer Un-
persönlichkeit, zu einem täglichen Spielen mit und vor sich selbst, das ihm zuletzt
zur zweiten Natur wird und jenes widerliche Komödiantentum bildet, von dem sich
die Größten unter den Großen von der Theaterkunst nicht freimachen können.
Das ist, so sagen wir schwerfälligen Menschen, ein teuer erkaufter und dazu
noch sehr vergänglicher Nuhm, der solche Opfer verlangt. Aber dürfen wir die
Sache so tragisch nehmen? Der Mime, dem die Nachwelt keine Nränze flicht,
will's ja gar nicht anders. Er will nur nach künstlerischen und nie mach per-
sönlichen oder gar sittlichen Erwägungen bewertet sein, er fühlt sich nicht wohl
in der bürgerlichen Enge. Er verlangt nach wie vor seine eigenen Lebensgesetze
und man mag die immer wieder zu lesenden Klagen über das „Elend des Schau-
spielerberufs" noch so rührsam finden - viel mehr als eine neue Neklamenummer
vermag der, dem ein Einblick ins „Theaterleben" gestattet ist, in solchen Herzens-
ergüssen auch nicht zu finden. Ls gibt ja ihrer gar viele, denen die sogenannte
„Nomantik" der Kunst gar mächtig in die Augen sticht. Der verlorenen und
verkommenen Existenzen kommen mehr auf ihr Schuldkonto, als man weiß, und
den Weg aus solchen Tiefen heraus zur höhe der ernsten und festigenden Arbeit
finden nur wenige mehr. So und nicht anders sieht es „hinter den Kulissen"
des modernen Theaters aus. Don den Miseren der kleinen und kleinsten Bühnen
zu reden ist schwer. Es ist so leicht, billige Witze darüber zu machen, wie dies
Gepflogenheit mancher Blätter ist, und es ist so schwer, so unendlich schwer,
hierin Wandel zu schaffen. Mag ja sein, daß da manches starke und ehrliche
Talent sich emporringt zu den höhen des Nuhmes und des Neichtums. Aber
neben ihm stehen die Hunderte oder gar Tausende, die am Nande des Weges
dahin niedersinken und sterben, zermürbt an Leib und Seele durch die Not des
Lebens — und der Kunst.
 
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