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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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4. Heft
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Aubert, Andreas: Über Norwegische Bauernkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0138
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Der Cicerone

Heft 4

nissen begründet, daß die Malerei erst in späteren
Jahrhunderten einen so großen Platz in der Bauern-
stube erhielt (die Malerei und die bemalte Holz-
schnitzkunst). Die alten Rauchstuben mit Oberlicht
eigneten sich wenig für Malerei, dorthin gehörten
die sogenannte „Kroting“ (weiße Ornamente auf
schwarzem Rußgrund) und gewebte Teppidie. Erst
in der Peise- (Herd-) und Ofenstube mit Fenstern statt
des Oberlichts war die Malerei an ihrem Platze. Das
alte Leben und Treiben der Tierverschlingungen und
Pflanzenranken an mittelalterlichen Kirchentüren lebt
mit der Laune des Rokoko in Türfüllungen und auf
Schränken wieder auf; oft nur dekorativ auf der
Oberfläche spielend, während die eigentlich kon-
struktiven Formen überwiegend in dem strengen
Geiste der Renaissance gehalten sind. Eine solche
norwegische Bauernstube ist wie ein Bild des norwegischen Bergbauern selbst. So
ernst und selbstbewußt sicher im Tagtäglichen,
so ausgelassen lustig, wenn es zum Fest geht
mit Halling- und Springtanz.

Es besteht unzweifelhaft ein Zusammen-
hang zwischen der Rosenmalerei des Rokoko
und unserer Volksmusik, die einen reicheren
Klang erhielt von der Stunde an, da die
Hardangerfiedel das ältere Saitenspiel (Lange-
leik) ablöste. Nicht selten waren die besten
Rosenmaler auch die tüchtigsten Fiedler.

Wir können uns kaum eine Vorstellung machen von der Freude an satten Farben,
an reichen strahlenden Verzierungen, die mit der eindringenden Lebenslust der munteren
Rokokozeit in unser Land kamen. Wände und Schränke, Trachten und Pferdegeschirr,

Tassen und Gefäße, Truhen und Mangelbretter, Bier-
kannen und Schreine wurden mit glitzernder Malerei über-
zogen. Seit der Zeit der romanischen Drachenver-
schlingungen hat kaum ein Stil so sehr die norwegische
Phantasie angeregt wie die gemalten und geschnitzten
Blattranken des Barock (die ihren Großmeister im Holz-
schnitzer Jakob Klukstad von Lesje um das Jahr 1750
hatten) und die Spielereien des Rokoko. Wenn unsere
Bauernmalerei in dieser Blütezeit eine überlegene Sicher-
heit gewann, diese feste und fließende Handschrift, so
war dies auch eine Folge weitverbreiteten Sinnes unserer
Bauern für Prunk und Schmuck. Er erhielt unsere Rosen-
maler in stetiger Übung. Diese Überlegenheit ist für
 
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