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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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18. Heft
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Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0693
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DENKMALPFLEGE

einem Rahmen von Sandftein mit Kugeln und
Löwengeftalten über den Halbfäulen des Erd-
gefdioffes, der urfprüngliche Hbfchluß des Wan-
delganges gewefen ift, und daß diefer Wandel-
gang in der Mitte, über dem fünften Fenfter,
fich zu einem Balkon erweiterte. In einem
neuen, in Originalgröße hergeftellten Modell der
Südweftecke der Faffade hat Rubbiani auf diefe
dokumentarifch beglaubigte Form der Brüftung
Rückficht genommen, die gewaltigen Fenfter-
höhlen durch Einbauten auf das richtige Maß
zurückzuführen gefucht, die Medaillons über
den Fenftern und das Kranzgefims nach zeit-
genöffifchen Bolognefer Vorbildern ergänzt und
als oberen Hbfchluß Guelfenzinnen angebracht.
Da wir über die urfprüngliche Geftalt der Faffade,
abgefehen von den genannten Forfchungsreful-
taten Prof. Sighinolfis, fo gut wie gar nichts
wiffen, fo war der Architekt, der nicht nur ein
großer Künftler, fondern auch einer der beften
Kenner der Baudenkmäler der „Hlma mater stu-
diorum“ ift, bei feinem Wiederherftellungsprojekt
vor allem auf Vorbilder an Gebäuden aus der
Zeit Giovannis II. Bentivoglio angewiefen. Älte
Tradition vermeldet, daß der Erbauer des Pa-
lazzo del Podeftä fidi an das Schloß des Ben-
tivoglio in der Stra’San Donato anlehnte, das
auf Betreiben Papft Julius II. durch das Bolognefer
Volk zerftört wurde. Hlfonfo Rubbiani ftellt
in feinem Modell zwei verschiedene Fenfter-
füllungen, eine mit einem Säulchen in der Mitte,
halbrunden Bögen rechts und links und einer
Rofette in der Mitte des oberen halbrunden
Äbfchluffes und eine zweite Löfung, fteinernes
Fenfterkreuz, geraden oberen Hbfchluß, Aus-
füllung des Halbbogens durch Relieffchniuck,
zur öffentlichen Diskuffion. Zugleich gibt er
feinem Modell Guelfenzinnen, nach dem Vor-
bilde des zeitgenöffifchen Palazzo dei Drappieri
und des zerftörten Palazzo Bentivoglio, als Be-
krönung. Binnen kurzem wird der Consiglio
superiore di Belle Hrti fich über Annahme oder
Ablehnung des Reftaurationsentwurfes entfchei-
den, inzwifchen aber wird mit großer Leiden-
fchaftlichkeit von der Tagespreffe aller Parteien,
foeben auch in der Florentiner Wochenfchrift
„Marzocco“, das Projekt Rubbianis diskutiert.
Man wird fich hoffentlich bald einigen, da die
Arbeiten, für die der Magiftrat von Bologna
eine halbe Million bewilligt hat, im nächften
Jahre, zur Fünfzigjahrsfeier der Proklamation
des Königreiches Italien, vollendet fein follen.

W. B.

NÄRBONNE Die Kirche Saint Juft ift durch
Feuer halb zerftört worden. Die Orgel und die
Glasfenfter des 14. und 15. Jahrhunderts find
vollftändig vernichtet. Mit dem Bau der Kirche
ift fchon im 13. Jahrhundert begonnen worden,
doch wurde er erft im 18. Jahrhundert beendet.

G.

POTSDAM Es ift zu befürchten, daß die
unter der Regierung des kunftfinnigen Königs
Friedrich Wilhelms IV. von Perfius am Ufer der
Havel bei Sacrow gebaute Heilandskirche, die
mit außerordentlichem Gefchick in den Fluß hin-
ausgebaut und in die Landfchaft komponiert ift,
durch ein barbarifches Projekt völlig um ihre
Wirkung gebracht wird. Man beabfichtigt näm-
lich hier an der wohl allerfchönften Stelle des
Potsdamer Havellandes eine Eifenbahnbrücke
über den Fluß zu fchlagen und auf beiden
Ufern — in unmittelbarer Nähe der Heilands-
kirche — mächtige Hnrampungen zu bauen,
die felbftverftändiich das Gefamtbild total zer-
ftören. Denkmalspflege und Landfchafts-
fchulj hätten hier in fchärffter Weife Ein-
spruch zu erheben, zur Erhaltung eines durch
Kunft und Natur gleicherweife koftbaren Land-
fchaftsbildes, an deffen Bewahrung die Städte
Berlin und Potsdam das lebhaftefte Intereffe
nehmen follten. Svs.

* In der „Times“ veröffentlichen einige her-
vorragende englifche Archäologen wie Hogarth,
James u. a. einen fcharfen Proteft gegen die
Denkmalsverwüftung auf der Infel Cgpern,
und im befonderen gegen die englifche Ver-
waltung, die es an Ächtung vor den Reften der
Antike völlig fehlen läßt. Diefe find ganz und
gar der Willkür der Bauern preisgegeben, die
fich fchwere Zerftörungen antiker Monumente zu
fchulden kommen laßen. Ein befonders fchrei-
ender Fall von Vandalismus beleuchtet die fol-
gende Tatfache: Auf dem Plaße, wo das alte
Soli ftand, wird ein umfangreiches Denkmal,
wahrfcheinlich ein ehemaliger Tempel von den
Eingeborenen von Karavaftafi fyftematilch als
Steinbruch ausgebeutet. In diefem Falle handelt
es fich fogar um ein hochintereffantes hiftori-
fches Dokument, das nach einer alten Infchrift
dem Sergius Paulus gehört hat, jenem aus der
Äpoftelgefchichte bekannten Landvogt der Infel.
Es wäre fehr zu wünfchen, daß diefem Vanda-
lismus durch fyftematifche Inventarifation Ein-
halt geboten würde.

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