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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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18. Heft
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Denkmalpflege
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DENKMALPFLEGE

Altarbild des Puccio Capanna ift verfchollen.
Rechts vom Chor liegt die von Bacci mit Sicherheit
identifizierte Kapelle der Giochi und Baftari.
Durch ein zum größeren Teil vermauertes Fenfter
empfängt fie unzureichendes Licht. Über die
Veränderungen, die Segaloni um 1625 am Äuße-
ren und Inneren der Kirche vorgenommen hat,
gibt eine nach Angaben Baccis ausgeführte
Grundrißzeichnung alle nur wünfchbare Auskunft.
Der urfprüngliche Chor ift zum Seitenfchiff ge-
worden, eine Treppenanlage von elf Stufen, die
zum Presbyterium führte, ift verfchwunden, der
Fußboden der Kirche um faft zwei Meter er-
höht. Zwei Pilafter zur Rechten und zur Linken
des alten Chores, an deren einem [ich Fresken
von Mafaccio befanden, find zerftört. Ein kleines
Türchen links vom Grabmal des Markgrafen
Hugo von Tuscien führt in einen engen, kaum
anderthalb Meter breiten Raum zwifchen der
alten Chorwand und der Innenmauer Segalonis.
Das ift der legte Reft der Kapelle der Giochi
undBaftari, an deren Wänden unter derTünche
durch den Reftaurator Domenico Fiscali foeben
die Fresken Buffalmaccos freigelegt worden find.

An der Schmalwand rechts war die Verfpot-
tung Chrifti dargeftellt. Der größere Teil des
Freskobildes ift bei der Erneuerung der Kirche
durch Segaloni zerftört worden. Man fieht nur
noch die leidenfchaftlich bewegten Geftalten
derer, die den Heiland verhöhnen und befpeien.
Vor uns, zur Rechten des Fenfters, fehen wir
die Geißelung Chrifti. Zwei wüft ausfehende
Schergen holen zum Schlage aus.

Links vom Fenfter ift die Kreuztragung dar-
geftellt. Der Blick des Heilands fcheint das
tränenvolle Antlig der Mutter zu fuchen, die
mit den beiden Marien von einem bewaffneten,
prachtvoll gezeichneten Kriegsknecht zurück-
gedrängt wird. In den drei blaffen Frauen-
gefichtern kommen alle Äbftufungen des Schmer-
zes zum Ausdruck, von der refignierten Trauer
bis zur ftummen Klage und zum verzweifelten
Schrei. An der linken Schmalwand find die
beiden von Vafari befonders hervorgehobenen
Schöpfungen des Meifters zu fchauen: Judas, der
fich an einem Baum erhängt hat und Pilatus,
der fich im Gefängnis den Tod gibt. Ein Na-
turalismus, der nicht feinesgleichen hat in der
Kunft jener Zeiten, und der auch vor dem Gräß-
lichen nicht zurückfchreckt, kommt in der Figur
des Judas zum Ausdruck, dem die Eingeweide
aus der geplagten Bauchhöhle heraustreten, weil
der Mageninhalt des Selbftmörders und Ver-
räters nicht aus dem Munde entweichen durfte,
der den Heiland geküßt hat, und ähnlich in der
Geftalt des Pilatus, der fich in dem Kerker ent-
leibt, in den ihn Kaifer Tiberius hatte ein-

fchließen laffen. In diefen Darftellungen folgt
der Künftler der Legenda aurea des Jacobus a
Voragine, der nach dem apokryphen Evange-
lium des Nikodemus Gefchichten aus der Paffion
Chrifti in einer von den übrigen Evangelien ab-
weichenden Form erzählt. Von den Päpften
mit dem Anathema belegt, find folche Szenen
doch manchmal auch in Kirchen dargeftellt wor-
den, vielleicht, weil fie dazu dienten, die oft ge-
malten Bilderfolgen intereffanter zu geftalten.

Vor den Lefern des Cicerone braucht nicht
erörtert zu werden, daß Vafari oft geirrt hat,
wenn er Werke des Trecento beftimmten Künft-
lern zufchrieb. Wenn aber im vorliegenden Falle
die meiften der in Florenz anwefenden Fachge-
noffen — foweit mir bekannt — nicht nur die hohe
Bedeutung diefes Fundes gewürdigt, fondern auch
die Zufchreibung an Buffalmacco angenommen
haben, fo liegt die Erklärung dafür wohl in der
Tatfache, daß der Meifter der Badiafresken ßüi
als einen ganz felbftändigen, von Giotto nur
wenig beeinflußten Künftler zu erkennen gibt,
der mit den uns vertrauten Malern des Trecento
nichts gemein hat. Der geiftvolle Spaßmacher
Boccaccios und Sacchettis tritt in den neu ent-
deckten Fresken als einer der größten Meifter
feiner Zeit hervor, als der Vertreter einer Kunft-
richtung, die felbftändig neben Giotto herläuft
und an die fpätere Generationen anknüpfen
konnten. Das hohe Lob, das die Kommentare
Ghibertis dem Künftler Buffalmacco zollen, er-
fährt jegt, wenn auch fpät, eine Art von Recht-
fertigung. Aufgabe der Forfcher aber wird es
fein, mit Hilfe diefer uns neugefchenkten Fres-
kenfolge das Werk des Meifters zu rekon-
ftruieren, der nach Vafaris Angabe in Ärezzo,
Äffifi, Cortona, Perugia und Pifa Proben feines
Könnens hinterlaffen hat. Walter Bombe.

BOLOGNÄ Während die gefchmackvolle
Neugeftaltung des Hofes im Palazzo del Po-
deftä allfeitigen Beifall gefunden hat, erhebt fich
gegen die von dem leitenden Architekten Prof.
Älfonfo Rubbiano vorgefchlagene Reftauration
der Faffade entfchiedener Wiederfpruch. Wie be-
kannt, ift der Palaft ein zweigefchoffiges Gebäude
mit offenen Bogenhallen im Erdgefchoß und neun
riefigen Fenftern im erften Stock, zu denen fich
noch je zwei an der Schmalfeite gefellen. Über
dem vorfpringenden Erdgefchoß zieht fich jegt an
den Schmalfeiten und an der Hauptfaffade ein
fchmaler Wandelgang hin, der nach außen durch
marmorne Balufterfäulen abgefchloffen ift. In-
zwifchen, während die Arbeiten vorwärtsfchrit-
ten, haben archivalifche Forfchungen Profeffor
Sighinolfis ergeben, daß ein eifernes Gitter in

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