Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0438
DOI issue:
11. Heft
DOI article:Polaczek, Ernst: Beiträge zur Geschichte der Strassburger Keramik, [3]: Strassburger und Hagenauer Porzellan
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BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE DER
STRASSBURGER KERAMIK
Mit 16 Abbildungen (9 im Text und 7 auf einer Tafel) Von ERNST POLACZEK
III. STRÄSSBURGER UND HÄGENÄUER PORZELLÄN1
In leister Zeit ift wiederholt erörtert worden, ob und wann in Straßburg Porzellan ge-
macht worden fei. Mit der fteigenden Schälung des Frankenthaler Porzellans hat fich
die Neigung eingekeilt, auf die Frage, ob Paul Hannong, bereits ehe er 1755 nach
Frankenthal ging, in irgendwie erheblichem Umfange Porzellan produziert habe, mit
einem Nein zu antworten; alles mit dem Blindftempel PH bezeichnete Porzellan, fo
wurde von Friedrich H. Hofmann noch kürzlich an diefer Stelle behauptet, fei von Franken-
thaler Provenienz.2
Es ift keineswegs aus Lokalpatriotismus, wenn ich diefer Behauptung einige Zweifel
entgegenfelje. Sie gründen fich nicht allein auf ftilkritifche Erwägungen, die ja immer
fubjektiver Art bleiben müffen, fondern auf urkundliche Zeugniffe. Der erften in den
Akten nachweisbaren Spur einer in Straßburg verfuchten Erzeugung von echtem
Porzellan begegnen wir im Jahre 1745. Paul Hannong hatte um Erlaubnis zur Erbauung
einer Glafurmühle gebeten. In den Verhandlungen, die hierüber zwifchen den kompe-
tenten Behörden ftattfanden, wird feiner bisherigen Tätigkeit rühmend gedacht und hin-
zugefügt, daß er „mit der Gnade Gottes noch weiters zu bringen verhoffe, ja gar
das durchfichtige porcellain zu wegen zu bringen vermeine, wenn ihm der Plafs
für die Mühle, die er um die materialien zu gedachtem porcellain darauff zu
mahlen, höchft nöthig habe“, bewilligt würde. Von einem praktifchen Erfolge er-
fahren wir erft 1751. In einer Denkfchrift, die Jofef Hannong, der Sohn Pauls, abgefaßt
hat, berichtet er kurz über die Gefchichte der Fabrikation und fagt u. a.: „En 1751 le
pere du sieur Hannong fut aussi le premier qui tenta la fabrication de la porcelaine en
päte dure. Ce fut lui qui par des depenses considerables chercha la perfection de cette
partie de commerce qui jusqu’ ä lui avait reste oubliee ou inconnue en France. Au mo-
ment oü il esperait tirer le fruit de son travail et de ses frais, il fallut abandonner cette
branche de commerce, la transporter avec des frais immenses chez l’etranger, y porter l’art
et l’industrie et ceder ainsi au privilege exclusif de la manufacture de Vincennes, au-
jourd'hui Sevres. Sans fin la famille d’Hannong fit les representations les plus fortes et
respectueuses sur les defenses qui lui furent notifiees en 1754 par Monsieur l’Intendant,
en vain soutint-elle que la province d'Alsace ne devoit pas etre subordonnee au privi-
lege exclusif donne pour les provinces de la France seule, il fut decide au Conseil d’Etat
que, l’Alsace etant simplement reputee province etrangere sans l’etre effectivement, les
habitans etoient tenus ä se conformer aux dispositions du dit privilege qui excluait
toute concurrence des autres manufactures.“
Diefer Bericht gibt die Sachlage mit aller Klarheit. Er findet feine Ergänzung in
anderen Akten, die Chavagnac & Grollier zur Verfügung ftanden und die berichten, daß
Paul Hannong 1753 Boileau, dem Direktor von Vincennes, sein Geheimnis zu verkaufen
erbötig war. Die Verhandlungen führten zu keinem Refultat, weil der Befiß des Geheim-
niffes wertlos fchien, fo lange kein Kaolinlager auf franzöfifchem Boden gefunden war.
Paul Hannong kehrte nach Straßburg zurück. Im Februar 1754 wurde das Verbot,
1 Vgl. Cicerone 1909, S. 385 u. S.447.
2 Vgl. Cicerone 1909, S. 555.
Der Cicerone, II. Jahrg., 11. Heft. 29
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STRASSBURGER KERAMIK
Mit 16 Abbildungen (9 im Text und 7 auf einer Tafel) Von ERNST POLACZEK
III. STRÄSSBURGER UND HÄGENÄUER PORZELLÄN1
In leister Zeit ift wiederholt erörtert worden, ob und wann in Straßburg Porzellan ge-
macht worden fei. Mit der fteigenden Schälung des Frankenthaler Porzellans hat fich
die Neigung eingekeilt, auf die Frage, ob Paul Hannong, bereits ehe er 1755 nach
Frankenthal ging, in irgendwie erheblichem Umfange Porzellan produziert habe, mit
einem Nein zu antworten; alles mit dem Blindftempel PH bezeichnete Porzellan, fo
wurde von Friedrich H. Hofmann noch kürzlich an diefer Stelle behauptet, fei von Franken-
thaler Provenienz.2
Es ift keineswegs aus Lokalpatriotismus, wenn ich diefer Behauptung einige Zweifel
entgegenfelje. Sie gründen fich nicht allein auf ftilkritifche Erwägungen, die ja immer
fubjektiver Art bleiben müffen, fondern auf urkundliche Zeugniffe. Der erften in den
Akten nachweisbaren Spur einer in Straßburg verfuchten Erzeugung von echtem
Porzellan begegnen wir im Jahre 1745. Paul Hannong hatte um Erlaubnis zur Erbauung
einer Glafurmühle gebeten. In den Verhandlungen, die hierüber zwifchen den kompe-
tenten Behörden ftattfanden, wird feiner bisherigen Tätigkeit rühmend gedacht und hin-
zugefügt, daß er „mit der Gnade Gottes noch weiters zu bringen verhoffe, ja gar
das durchfichtige porcellain zu wegen zu bringen vermeine, wenn ihm der Plafs
für die Mühle, die er um die materialien zu gedachtem porcellain darauff zu
mahlen, höchft nöthig habe“, bewilligt würde. Von einem praktifchen Erfolge er-
fahren wir erft 1751. In einer Denkfchrift, die Jofef Hannong, der Sohn Pauls, abgefaßt
hat, berichtet er kurz über die Gefchichte der Fabrikation und fagt u. a.: „En 1751 le
pere du sieur Hannong fut aussi le premier qui tenta la fabrication de la porcelaine en
päte dure. Ce fut lui qui par des depenses considerables chercha la perfection de cette
partie de commerce qui jusqu’ ä lui avait reste oubliee ou inconnue en France. Au mo-
ment oü il esperait tirer le fruit de son travail et de ses frais, il fallut abandonner cette
branche de commerce, la transporter avec des frais immenses chez l’etranger, y porter l’art
et l’industrie et ceder ainsi au privilege exclusif de la manufacture de Vincennes, au-
jourd'hui Sevres. Sans fin la famille d’Hannong fit les representations les plus fortes et
respectueuses sur les defenses qui lui furent notifiees en 1754 par Monsieur l’Intendant,
en vain soutint-elle que la province d'Alsace ne devoit pas etre subordonnee au privi-
lege exclusif donne pour les provinces de la France seule, il fut decide au Conseil d’Etat
que, l’Alsace etant simplement reputee province etrangere sans l’etre effectivement, les
habitans etoient tenus ä se conformer aux dispositions du dit privilege qui excluait
toute concurrence des autres manufactures.“
Diefer Bericht gibt die Sachlage mit aller Klarheit. Er findet feine Ergänzung in
anderen Akten, die Chavagnac & Grollier zur Verfügung ftanden und die berichten, daß
Paul Hannong 1753 Boileau, dem Direktor von Vincennes, sein Geheimnis zu verkaufen
erbötig war. Die Verhandlungen führten zu keinem Refultat, weil der Befiß des Geheim-
niffes wertlos fchien, fo lange kein Kaolinlager auf franzöfifchem Boden gefunden war.
Paul Hannong kehrte nach Straßburg zurück. Im Februar 1754 wurde das Verbot,
1 Vgl. Cicerone 1909, S. 385 u. S.447.
2 Vgl. Cicerone 1909, S. 555.
Der Cicerone, II. Jahrg., 11. Heft. 29
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