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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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4. Heft
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0153

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RUNDSCHAU — Sammlungen

DäS STÄDTISCHE MUSEUM IN
HÄÄRLEM UND DIE „HÄLSEN“

Äm 2. Äpril 1905 ftarb in Paris Herr J. C. L. Druij-
vestein. In feinem Teftament hatte er, von einigen
Legaten abgefehen, zur Univerfalerbin „de ver-
eeniging tot uitbreiding der verzameling van
kunst en oudheden op het Stedelijk museum te
Haarlem“ eingefegt. Äls diefe hochherzige Stif-
tung bekannt wurde, fand fie in ganz Holland
freudigen Widerhall; denn nun fchien das Geld
— rund 500 000 fl. — vorhanden zu fein, um
für die Kunftfchäge der ftädtifchen Galerie, ins-
befondere die Halfen, ein neues, der Feuers-
gefahr weniger ausgefegtes Mufeum zu bauen;
doch jegt kommt das Nachfpiel. Nach dem Ge-
feg war die einzige Erbin des Herrn Druijvestein
eine Irre. Ihr Kurator kam obigem Verein, fo-
weit es in feiner Macht ftand, entgegen und
forderte von ihm, er folleauf fämtliche Änfprüche
auf den Nachlaß verzichten, dafür aber eine Ent-
fchädigung von 50000fl. erhalten. Zunächft erklärte
fich der Verein hiermit einverftanden. Später be-
fchloß er jedoch, vor dem Gericht zu feinem
fcheinbaren Recht zu gelangen. Äm 17. De-
zember 1909 wurde das endgültige Urteil in
diefem Prozeß gefällt, und der Verein mit feiner
Klage abgewiefen, weil er zurzeit, als der Erb-
laffer ftarb, nach bürgerlichem Recht nicht mehr
beftand. Der Verein war nämlich am 18. Fe-
bruar 1875 auf 29 Jahre errichtet, zu rechnen
von dem Tag, an dem feine Statuten auf Königl.
Befchluß gut geheißen feien; dies gefchah am
31. Mai 1875. Somit hatte er, weil er um Ver-
längerung nicht eingekommen war, am 31. Mai
1904 nach bürgerlichem Recht zu beftehen auf-
gehört.

So erheblich diefer Verluft von 450000 ß. fchon
an und für fich ift, fo wird er dadurch noch vergrö-
ßert, gedenkt man der Halsangelegenheit1 des ver-
soffenen Jahres, die jegt wiederum die Federn
der hiefigen Zeitungsfehreiber in Bewegung fegt.

Nunmehr ift nämlich vom früheren Reftaurator
der Haarlemfchen Halfen, Frans Vos, eineVer-
teidigungsfdirift erfchienen, und zweitens hat der
Haager Reftaurator de Wild fein Gutachten über
den Zuftand der Halfen der Mufeumskommiffion
eingereicht.

Rus erfterer geht hervor, wie wenig die Mu-
feumskommiffion organifiert war, und daß der
Reftaurator fie vor dem äußerft fchlechten Zu-
ftand der Äusftellungsräume ftets vergebens ge-
warnt habe. Vor allem aber führt fie uns die
ungeheuer große Feuersgefahr vor Äugen, in der
das alte Rathaus fchwebte und noch fchwebt. Vos

1 Vgl. Heft 5 und 16 des 1. Jahrganges diefer Zeitfdirift.

verfucht aber glücklicherweife nicht, feine Behand-
lungsweife der Gemälde als die wahre hinzuftellen.

Das Gutachten de Wilds handelt vom Kon-
fervieren von alten Gemälden überhaupt. Nach
ihmiftdas völlige Entfernen aller Firn isfchichten
mit keinerlei Gefahr für die Farbfchicht verbun-
den, natürlich vorausgefegt, daß das Reinigen von
fachkundiger Hand gefchieht. Hierauf kommt
de Wild auf die Halfen felbft und ihre Be-
handlung im legten Dezennium zu fprechen.
Befchädigt find die Gemälde nicht im geringften,
aber fie find jegt durch unfachgemäße Behand-
lung in einen gefahrvollen Zuftand gebracht;
daher rät er zur Vornahme obiger rationeller
Reinigung; den günftigften Augenblick für eine
derartige Wiederherftellung habe man eben früher
vorübergehen laßen.

In einer Sigung der Mufeumskommißion wurde
diefer Rapport von de Wild eingehend be-
fprochen. Prof. Jan Six fand jenes, von de
Wild gewünfehte gründliche Reinigen der Halfen
gefährlich und war durchaus dagegen. Ihre fo-
genannten Gebrechen hätten ihn niemals geftört.
Die Gemälde feien gut, und deshalb brauche
mit ihnen nichts vorgenommen zu werden. Seine
Änpcht fuchte er durch die von de Wild ge-
reinigten Gemälde von van Schooten in Leiden
zu bekräftigen, die jegt alles eher als „smakelijk“
ausfähen.1 Der völlig entgegengefegten Änficht
war Dr. Ä. Bredius. Nach ihm fähen die Halfen
nicht allein gelb, fondern orangenfarbig aus. De
Wilds Vorfchlag, fämtliche neue und alteFirnis-
fchichten nebft den Retouchen und Übermalungen
zu entfernen, wäre wohl begründet; und daß
de Wild feine Sache gut verftände, dafür legten
die beiden Gemälde von J. Raveftegn im „Ge-
meente-Museum“ im Haag Zeugnis ab.

Endrefultat diefer Beratung: Es ift wünfehens-
wert, die Wiederherftellung der Gemälde des
Frans Hals im Auge zu behalten und hierfür
die Fingerzeige de Wilds zu berückfichtigen;
man befchloß die Angelegenheit noch etwas zu
überdenken und vorläußg — wie fich der N. R. C.
fehr fcharf ausdrückt—einigejahreruhenzu laßen.

1 Soeben kommt de Wild im „Nieuwe Rotterdamsche
Courant“ kräftig gegen diefe Änficht von J. Six auf: Wie
komme Prof. Six dazu, für die van Schooten diefelbe Be-
handlungsweife zu verlangen, wie für die Halfen; anders
könne Six die reftaurierten van Schooten nicht als Maß-
ftab anwenden bei der Beurteilung der von de Wild vor-
gefchlagenen Behandlungsweifc der Halfen?

Än den van Schooten feien die Bretter (fie find auf Holz
gemalt), die peil voneinander gnlöft hätten, wieder feft
zufammengefügt, die fich abgelöften Farbenftellen wieder
feftgetnacht, und die oberfte Firnisfchicht fei abgerieben
und regeneriert. Diefe Art des Reftaurierens habe er —
de Wild — in feinem Rapport ein im allgemeinen
fchon unerwünfehtes, für die Halfen aber völlig
zu verwerfendes Hilfsmittel genannt.

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