DENKMALPFLEGE o AUSGRABUNGEN UND FUNDE
um der drohenden Zerftörung ihrer Stadt Einhalt
zu gebieten. Leider ift das nicht der Fall. Der
Glanz und die Herrlichkeit der üppigen, lärmen-
den Aufmachung des benachbarten, in haften-
dem, rückfichtslofen Vordrängen fich überftürzen-
den Berlins, blendet die Äugen der Potsdamer
dermaßen, daß fiefür die ruhigen,längftvorhande-
nen, außerordentlichen Vorzüge ihrerStadt, gegen-
über der großen Nachbarin faft blind find“ fagt
derVerfaffer und bringt dann eine Tatfache, die
geradezu unglaublich klingt und in einen
wahren Abgrund von Verftändnislofigkeit blicken
läßt: „Ein auf Anregung der Staatsbehörden
vorgefchlagenes Ortsftatut zurVerhütung weiterer
Verwüftungen wurde, felbft vom Magiftrat
in feinen wefentlichen Punkten abgelehnt!“
Sehr mit Recht fpricht derVerfaffer denWunfch
aus, daß unter diefen Umftänden nur ein tat-
kräftiges Eingreifen von Seiten des Kaifers, der
fchon fo häufig für die Erhaltung und Wieder-
herftellung „faft fagenhafter Denkmäler der Ver-
gangenheit“ eingetreten wäre, der beginnenden
Verwüftung Einhalt geboten werden könnte.
Denn immer größer wird die Zahl der zerftörten
Häufer, die zum mindeften durch unfinnige, die
architektonifchen Linien zerfchneidenden Riefen-
fchilder, durch Ausbrechen großer, für eine kleine
Stadt ganz unzweckmäßiger Läden und Auf-
feßen von Stockwerken verfchandelt werden.
Wer dafür eine Probe haben will, hat nur nötig,
fich auf den fchönften Plaß Potsdams, den Ält-
markt zu ftellen, der von Schinkels Nicolaikirche,
dem nördlichen Flügel des Stadtfchloffes, dem
Rathaus und dem Palaft Barberini eingerahmt
wird und ein geradezu unvergleichlich gefchlof-
fenes, rein erhaltenes Bild abgibt. Das heißt,
wenn nicht der Blick auf die Faffade
des Barberinipalaftes fällt, über den ein
mächtiges Schild „Berliner Bockbrauerei“
rückfichtslos quer hinübergefpannt ift,
ein Schandfleck in einer Umgebung von höch-
fter Vornehmheit und ein trübes Zeichen für
den Mangel an Schönheitsempfinden und Pietät
bei denen, die diefes dulden. Man begreift
die Verblendung derer nicht, die die Macht
hätten hier Wandel zu fchaffen. Denn wenn
es fo weiter geht, die eigentümlichen, ftillen
Reize Potsdams dahinfchwinden um kläglich auf-
gepußten Läden im Stil Berliner Vorftadtswaren-
häufer Plaß zu machen, wenn feine alten Häufer
auch fernerhin durch Plakate entftellt werden —
was werden die Fremden, an denen Potsdam
doch großes Intereffe hat, noch in der Havel-
refidenz zu fuchen haben? Für eine Miniatur-
ausgabe von Berlin wird doch wohl jeder Kultur-
menfch danken. — Svs.
ROTTENBURG Konrad Lange hat kürzlich
in der F. Z. einen außerordentlich beachtens-
werten Auffaß über die Erhaltung unferer
alten Marktbrunnen gefchrieben, der fpeziell
für Süddeutfchland wichtig ift (Morgenblatt vom
8. Okt.). Veranlagung zu dem Artikel war die
bedauernswerte Tatfuche, daß der berühmte alte
gotifche Marktbrunnen in Rottenburg binnen
kurzem aufhören foll zu exiftieren. Man will
das Original in ein zu diefem Zweck einzurich-
tendes Mufeum bringen und auf dem Markte
eine Kopie aufftellen. Eine folche Gefahr gibt
zu prinzipiellen Bedenken Anlaß, die ja nicht
zum erftenmal erörtert worden find. Aber der
Langefche Auffaß zeichnet fich durch eine be~
fonders glückliche Formulierung der Frage aus
und darf deshalb auch das Intereffe der Fach-
kreife beanfpruchen.
AUSGRABUNGEN ♦ FUNDE
FOLIGNO Beim Abbruch des alten Waifen-
haufes neben der Kirdie S. Michele Arcangelo
(ehemals S. Margherita) find kürzlich Fresken
zum Vorfchein gekommen, Refte eines der heil.
Margherita von Cortona gewidmeten Zyklus.
Am beften erhalten .ift die Szene der Beweinung
der Heiligen, die, wie die übrigen Fresken, von
einem umbrifchen Meifter aus dem Anfang des
Quattrocento ausgeführt zu fein fcheint.
Im Clariffinnenklofter Santa Lucia hat der In-
fpektor der Monumente Umbriens, Conte Dr.Um-
berto Gnoli, ein Gonfalonebild des Niccolo
Älunno entdeckt, das die Stigmatifation des heil.
Franz mit einer getreuen Änficht von Äffifi dar-
ftellt, der früheften wirklich getreuen Änßicht
von Äffifi, die wir befißen. Infolge der ftrengen
Klaufur des Klofters ift das intereffante Bild
bisher unerkannt geblieben. Nur Guardabaffi
in feinem Indice-Guida dei Monumenti dell’
Umbria erwähnt auf S. 88 das Werk, aber als
Arbeit eines Trecentomeifters. Binnen kurzem
Toll es reftauriert und alsdann dem ftädtifchen
Mufeum zu Foligno einverleibt werden. B.
LONDON Die „Woolarich Äntiquarian So-
ciety“ hat Ausgrabungen in Kent unternommen,
um die Grundmauern der im Jahre 1179 von Ri-
chard de Luci gegründeten Abtei Leones bloßzu-
legen. Dabei ftellte fich heraus, daß die Abtei, eine
der bedeutendften der Graffchaft Kent, viel um-
fangreicher war als ein alter, vorhandener Plan
erwarten ließ. Während der Ausgrabungen wurde
eine feingearbeitete Steinfigur in Lebensgröße,
ein Ritter in Rüftung, mit gekreuzten Beinen
und Spuren von Bemalung, zutage gefördert. F.
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um der drohenden Zerftörung ihrer Stadt Einhalt
zu gebieten. Leider ift das nicht der Fall. Der
Glanz und die Herrlichkeit der üppigen, lärmen-
den Aufmachung des benachbarten, in haften-
dem, rückfichtslofen Vordrängen fich überftürzen-
den Berlins, blendet die Äugen der Potsdamer
dermaßen, daß fiefür die ruhigen,längftvorhande-
nen, außerordentlichen Vorzüge ihrerStadt, gegen-
über der großen Nachbarin faft blind find“ fagt
derVerfaffer und bringt dann eine Tatfache, die
geradezu unglaublich klingt und in einen
wahren Abgrund von Verftändnislofigkeit blicken
läßt: „Ein auf Anregung der Staatsbehörden
vorgefchlagenes Ortsftatut zurVerhütung weiterer
Verwüftungen wurde, felbft vom Magiftrat
in feinen wefentlichen Punkten abgelehnt!“
Sehr mit Recht fpricht derVerfaffer denWunfch
aus, daß unter diefen Umftänden nur ein tat-
kräftiges Eingreifen von Seiten des Kaifers, der
fchon fo häufig für die Erhaltung und Wieder-
herftellung „faft fagenhafter Denkmäler der Ver-
gangenheit“ eingetreten wäre, der beginnenden
Verwüftung Einhalt geboten werden könnte.
Denn immer größer wird die Zahl der zerftörten
Häufer, die zum mindeften durch unfinnige, die
architektonifchen Linien zerfchneidenden Riefen-
fchilder, durch Ausbrechen großer, für eine kleine
Stadt ganz unzweckmäßiger Läden und Auf-
feßen von Stockwerken verfchandelt werden.
Wer dafür eine Probe haben will, hat nur nötig,
fich auf den fchönften Plaß Potsdams, den Ält-
markt zu ftellen, der von Schinkels Nicolaikirche,
dem nördlichen Flügel des Stadtfchloffes, dem
Rathaus und dem Palaft Barberini eingerahmt
wird und ein geradezu unvergleichlich gefchlof-
fenes, rein erhaltenes Bild abgibt. Das heißt,
wenn nicht der Blick auf die Faffade
des Barberinipalaftes fällt, über den ein
mächtiges Schild „Berliner Bockbrauerei“
rückfichtslos quer hinübergefpannt ift,
ein Schandfleck in einer Umgebung von höch-
fter Vornehmheit und ein trübes Zeichen für
den Mangel an Schönheitsempfinden und Pietät
bei denen, die diefes dulden. Man begreift
die Verblendung derer nicht, die die Macht
hätten hier Wandel zu fchaffen. Denn wenn
es fo weiter geht, die eigentümlichen, ftillen
Reize Potsdams dahinfchwinden um kläglich auf-
gepußten Läden im Stil Berliner Vorftadtswaren-
häufer Plaß zu machen, wenn feine alten Häufer
auch fernerhin durch Plakate entftellt werden —
was werden die Fremden, an denen Potsdam
doch großes Intereffe hat, noch in der Havel-
refidenz zu fuchen haben? Für eine Miniatur-
ausgabe von Berlin wird doch wohl jeder Kultur-
menfch danken. — Svs.
ROTTENBURG Konrad Lange hat kürzlich
in der F. Z. einen außerordentlich beachtens-
werten Auffaß über die Erhaltung unferer
alten Marktbrunnen gefchrieben, der fpeziell
für Süddeutfchland wichtig ift (Morgenblatt vom
8. Okt.). Veranlagung zu dem Artikel war die
bedauernswerte Tatfuche, daß der berühmte alte
gotifche Marktbrunnen in Rottenburg binnen
kurzem aufhören foll zu exiftieren. Man will
das Original in ein zu diefem Zweck einzurich-
tendes Mufeum bringen und auf dem Markte
eine Kopie aufftellen. Eine folche Gefahr gibt
zu prinzipiellen Bedenken Anlaß, die ja nicht
zum erftenmal erörtert worden find. Aber der
Langefche Auffaß zeichnet fich durch eine be~
fonders glückliche Formulierung der Frage aus
und darf deshalb auch das Intereffe der Fach-
kreife beanfpruchen.
AUSGRABUNGEN ♦ FUNDE
FOLIGNO Beim Abbruch des alten Waifen-
haufes neben der Kirdie S. Michele Arcangelo
(ehemals S. Margherita) find kürzlich Fresken
zum Vorfchein gekommen, Refte eines der heil.
Margherita von Cortona gewidmeten Zyklus.
Am beften erhalten .ift die Szene der Beweinung
der Heiligen, die, wie die übrigen Fresken, von
einem umbrifchen Meifter aus dem Anfang des
Quattrocento ausgeführt zu fein fcheint.
Im Clariffinnenklofter Santa Lucia hat der In-
fpektor der Monumente Umbriens, Conte Dr.Um-
berto Gnoli, ein Gonfalonebild des Niccolo
Älunno entdeckt, das die Stigmatifation des heil.
Franz mit einer getreuen Änficht von Äffifi dar-
ftellt, der früheften wirklich getreuen Änßicht
von Äffifi, die wir befißen. Infolge der ftrengen
Klaufur des Klofters ift das intereffante Bild
bisher unerkannt geblieben. Nur Guardabaffi
in feinem Indice-Guida dei Monumenti dell’
Umbria erwähnt auf S. 88 das Werk, aber als
Arbeit eines Trecentomeifters. Binnen kurzem
Toll es reftauriert und alsdann dem ftädtifchen
Mufeum zu Foligno einverleibt werden. B.
LONDON Die „Woolarich Äntiquarian So-
ciety“ hat Ausgrabungen in Kent unternommen,
um die Grundmauern der im Jahre 1179 von Ri-
chard de Luci gegründeten Abtei Leones bloßzu-
legen. Dabei ftellte fich heraus, daß die Abtei, eine
der bedeutendften der Graffchaft Kent, viel um-
fangreicher war als ein alter, vorhandener Plan
erwarten ließ. Während der Ausgrabungen wurde
eine feingearbeitete Steinfigur in Lebensgröße,
ein Ritter in Rüftung, mit gekreuzten Beinen
und Spuren von Bemalung, zutage gefördert. F.
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