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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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9. Heft
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Hintze, Erwin: Eine schlesische Zinnkanne vom Jahre 1506 in der Sammlung Oppler in Hannover
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0349

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EINE SCHLESISCHE ZINNKÄNNE VOM
JÄHHE 1506 IN DER SÄMMLUNG OPPLER

IN HANNOVER Von ERWIN HINTZE, Breslau

Mit 4 Abbildungen (1 im Text und 3 auf 1 Tafel)

Unter den nicht gerade zahlreichen Erzeugnißen altfchlefifchen Kunftgewerbes, die [ich
auch über die engeren Landesgrenzen hinaus [dion feit Jahrzehnten einer allgemeinen
Wertfchäfsung erfreuen, fteht obenan eine Gruppe fpätgotifcher, reich gravierter Zinn-
kannen. Diefelben repräfentieren mit ihrer impofanten Wucht und Größe, ihrer folgerechten
Materialbehandlung und dem echt im Geifte der Zeit gefchaffenen Bildfchmucke nicht
allein einen Höhepunkt der Leiftungsfähigkeit des fchlefifchen Zinngießers, fie zählen über-
haupt zum Beften, was das gotifche Zinngießerhandwerk Deutfchlands hervorgebracht
hat. Die Vorbilder zu diefen Kannen find wahrfcheinlich in Böhmen zu fuchen. Den
Schlefiern fällt jedoch der Ruhm zu, die von auswärts gekommene Anregung künftlerifch
erft zur Vollendung gebracht zu haben. Die fchönften Stücke der ganzen Gruppe ftammen
aus Breslau, wo die Kannen- und Glockengießerfamilie der Grofes den hervorragendften
Anteil an der Herftellung diefer Humpen gehabt zu haben fcheint. Aber auch die pro-
vinziellen Werkftätten Schießens haben treffliche Kannen der gleichen Art geliefert. Und
hier ift jede Entdeckung willkommen, die zu der Erkenntnis beiträgt, daß jene großen
Kannen am Ende des 15. und am Anfänge des 16. Jahrhunderts gleichfam eine Spezialität
der größeren Kannengießerwerkftätten der ganzen Provinz Schießen gewefen find. Nach-
dem vorläufig Breslau, Löwenberg, Sagau und Schweidnij} als Städte nachgewiefen
werden konnten, deren Kannengießer einft folche Riefenkrüge lieferten, darf der neuefte
Fund mit größter Wahrfcheinlichkeit der Stadt Hirfchberg zugefchrieben werden, die hier
zum erften Male mit einer bedeutenderen Zinnarbeit aus älterer Zeit in die Erfdiei-
nung tritt.

Als ich im November 1909 wegen der Lanna-Auktion in Berlin weilte, lernte ich
den Maler Ernft Oppler kennen, der mich darauf aufmerkfam machte, daß fich in der zum
Teil in Schießen erworbenen Sammlung feines Vaters, des verftorbenen Baurates Oppler
in Hannover, ein Humpen beßndet, wie ein ähnlicher bei der Verfteigerung der Lanna-
Kollektion den Preis von 33000 Mark erzielt hatte.1 Mit meiner Bitte, von dem fraglichen
Stück photographifche Aufnahmen zu erhalten, fand ich alsdann bei Frau Baurat Oppler
in Hannover das liebenswürdigfte Entgegenkommen, fo daß ich nun in der Lage bin, die
Kanne auf einer Tafel und auf Seite 305 abzubilden und auf ihre Herkunft und Be-
deutung näher einzugehen.

Der Stilcharakter des Stückes läßt fchon auf den erften Blick keinen Zweifel darüber,
daß es in die Gruppe der gefchäfeten fchlefifchen Humpen gehört. Die drei vorn am Rande
der Deckelßäche eingefchlagenen Marken ermöglichen aber noch eine genauere Lokali-
fierung. Allerdings ift leider die wichtigfte der drei Marken, das Stadtzeichen, nur noch
im unteren Teile zu erkennen. Man fieht die vier Beine eines Huftieres nebft der unteren
Bruft und Bauchpartie. Bei einem Vergleiche des fragmentarifchen Stempels mit den uns
bekannten fchlefifchen Zinngießer-Stadtmarken, auf denen Tierbilder Vorkommen, ver-
engert fich jedoch bald der Kreis der Tiere, die bei der Ergänzung der Marke in Betracht
kommen können. Bei genauerer Prüfung bleibt wohl nur der Hirfch aus dem Hirfchberger

1 Erworben vom Berliner Kunftgewerbemufeum. Äuktionskatalog der Sammlung R. v. Lanna,
Berlin R. Lepke 1909, S. 42 Nr. 314 mit Tafel 25. Hans Demiani, Francois Briot, Caspar Enderlein
und das Edelzinn, Leipzig 1897, S. 74 u. Tafel 48.

Der Cicerone, II. Jahrg., 9. Heft. 23

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