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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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20. Heft
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0756
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AUSSTELLUNGEN

daran, [ich allmählich für Äusftellungszwecke
abzufondern und in kleineren Folgen andern-
orts zu erfcheinen.

Äusftellung bemalter Wohnräume im
AUGUSTINERSTOCK. Ebenfo wie die Glas-
palaftausftellung und die Sezeffion, geht auch
die intereffante Schau bemalter Wohnräume, die
nun fchon im zweiten Jahr von den Münche-
ner Malermeiftern veranftaltet wird mit Ende
Oktober ihrem Äbfchluß entgegen. Die Dar-
bietung hat heuer fehr an Anziehungskraft ge-
wonnen, die Zimmer find weit ausftellungs-
mäßiger arrangiert, ftellen vor allem den eigent-
lichen Zweck der Übung, die Leiftungsfähigkeit
des hiefigen Malergewerbes darzutun, nicht mehr
fo nackt zur Schau, wie im Vorjahre. Und fo
gibt fich das Ganze nun als charakteriftifche
Probe des modernen Münchener Kunftgewerbes,
deffen Zufammenhang mit der älteren Überliefe-
rung hier noch dazu klarer denn irgendwo zutage
tritt. Freilich darf man bei der Fülle des Ge-
botenen und der Vielfeitigkeit der Befchickung
nicht erwarten, durchwegs einen geläuterten Ge-
fchmack anzutreffen, manch Unzulängliches und
herkömmlich Flaues ift noch unterlaufen, dafür
find aber auch eine Anzahl Räume da, die fich
ruhig neben das Befte zu ftellen vermögen, was
unfere derzeitige Innenkunft leiftet. Die Schöpfer
folcher Räume find Hofdekorationsmaler Urba-
nifch, die Herren Jacobs und Kainz, Maler-
meifter G. Lembach, E. Müller, Stephan und
Ball, P. Laber, K. Braig, Fuchs und Kiesgen,
O. Wium, G. Brasholz, J. Rofenauer, J. Blank,
J. Bachmann, Niedermagr und Spiß, J. Koller,
J. Leipfinger, R. Berghaus, Architekt Defchauer.

Die Galerie HEINEMANN, die den Sommer
über keine Wechfelausftellung veranftaltete, er-
öffnet die Winterfaifon mit Darbietung zweier
intereffanter Kollektionen. Im Parterreraum
zeigt Rudolf Gudden, von Geburt ein Mün-
chener Kind, als Maler aber in Frankfurt tätig,
zwei Dußende feiner Arbeiten vor, oben aber
füllen Werke der Venetianer Künftlerfamilie
Ciardi die Wände. Was der deutfche Maler
bietet, find Freilichtftücke, etwas allzu derb viel-
leicht und ftellenweife zu fummarifch auf die
Leinwand gebracht, dann aber wieder, nament-
lich in der Wiedergabe gewiffer Beleuchtungs-
probleme von unmittelbarfter überrafchender
Wirkung. Namentlich müffen die kleineren
Studien hervorgehoben werden, die fämtliche
die Frifche der momentanen Impreffion aufs befte
gewahrt zeigen und worunter fich Kabinett-
ftücke lichter und luftiger Stimmungen vorfinden.

Die drei hier ausftellenden Ciardi, Prof. Gu-
lielmo, Beppe und Emma Ciardi zählen zweifels-

ohne zur Elite der derzeitigen Maler Venedigs;
ein kultivierter Gefchmack, ftarkes, ftellenweife
fogar zu weit ins Virtuofe getriebenes Können,
Anmut der bildmäßigen Faffung ihrer Motive
find ihnen allen dreien in gleicher Weife eigen,
bei aller Familienähnlichkeit aber weiß doch ein
jedes des Kleeblattes feine Eigennote zu wahren.
Gulielmo C. gibt eine Anzahl Schilderungen aus
der Lagunenftadt, deren Zauber der Kanäle und
Architekturen er in höchft diskreten Beleuch-
tungen einfängt und in reichhaltigfter Variierung
vor Augen ftellt. Die überlieferte veneziamfche
Vedutenmalerei erfährt hier eine Modernifierung
mit reichen Mitteln. Bunter wie der allem
Süßlichen gefliffentlich aus dem Wege gehende
Guliehno ift Beppe Ciardi, der in feingliedrigen,
detailreichen Stimmungsbildern Themen fowohl
Venedigs, wie des Feftlandes geftaltet. Es ift
gefunde, allem Zuckerigen ebenfo abholde Kunft,
wie die des Vorgenannten, eine erquickende
Sgnthefe echt romanifcher mit nordifchen Ele-
menten. Emma Ciardi malt Bilder aus der Ver-
gangenheit, Szenen des 18. Jahrhunderts, die
fidt in Parks mit Heckenarchitekturen, Fontänen
ufw. abfpielen und voll verträumter, arkadifdier
Poefie find. Der Farbenreiz ihrer Bilder ift da-
bei von echt moderner Gourmandife und Fineffe,
etwas ariftokratifch müde in den Harmonien
zwar, aber von ftärkfter Anziehungskraft.

In der MODERNEN GALERIE IM ÄRCO-
PÄLAIS find gegenwärtig zwei umfangreiche
Kollektionen von Ludwig v. Hofmann und Chri-
ftian Rohlfs (Hagen) zu Gaft. Im Schaffen des
erfteren läßt fich infofern ein Fortfehritt kon-
ftatieren, als alles, was an feiner Art an äußer-
licher Steigerung denkbar ift, wie Kolorismus
und Rhythmifierung der Kompofition nun auch
bedeutend gefteigert erfcheint, wobei der Künftler
offenkundig die Anregung gewiffer neuerer Er-
fcheinungen, vor allem Gauguins verarbeitet.
Was die innerliche Verlebendigung anlangt, fo
fteht Hofmann aber noch ganz auf demfelben
Fleck wie früher und es hat den Änfchein, als
komme er hier über beftimmte Grenzen nicht
mehr hinaus. Innerhalb diefer jedoch weiß er
ftets frifch und neuartig fich zu betätigen.

Rohlfs, auf den Schultern van Goghs ftehend,
ift gewiß ein ftarker Könner, deffen Arbeiten es
an äußerer Dynamik, Glut und Energie nicht
fehlt, worauf hinaus aber fein ganzes Trachten
läuft, zeigen am beften ein paar unter die Ma-
lereien eingeftreute Stickereien. In diefen wird
ein recht eigenartiger moderner kunftgewerb-
licher Stil geboten, deffen Bedeutung man keines-
wegs unterfchäße; man hüte fich aber, Leute
wie Rohlfs noch immer als Wegeführer einer

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