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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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1. Heft
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Térey, Gábor: Die Greco-Bilder der Sammlung Nemes
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0028
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DIE GRECO-BILDER DER SAMMLUNG NEMES

deffen leuchtende Töne noch gehoben wer-
den durch das Kleid der neben ihr befind-
lichen Frau, die in zärtlicher Bewegung
ihren Arm um Mariens Schulter legt. Und
ein einzig fchöner Jofephkopf fchaut in das
Bild hinein, voller Menfchlichkeit und ge-
haltenem Ernft. Das Chriftuskind blickt
nach der Glasfchale mit Früchten, die Jo-
feph ihm darbietet. Diefe Glasfchale ift ein
Meifterwerk für fich, kein Manet, kein Ce-
zanne hätte fie beffer malen können. Man
fteht vor diefer heiligen Familie wie vor
einem Wunder. Wie ift es möglich, daß
diefe Farbenpracht nicht grell erfcheint, daß
diefe kalten Töne keinen harten Eindruck
hervorrufen, daß fie im Gegenteil dazu bei-
tragen, die fo edel empfundene Kompofition
voll zum Ausdruck zu bringen? Das ift das
große Greco-Rätfel. Ein drittes Bild, „Die
heilige Magdalena“, ift ganz in des Mei-
fters Handfchrift gefchrieben, fern von jeder
Konvention, unmittelbar im Ausdruck und
Auffaffung. Ihre mächtige Geftalt fcheint
wie aus dem Felfen emporzuwachfen, auf
dem fie ruht; der Himmel über ihr mit den
zuckenden Lichtern hilft mit, die Emphafe
ihres Gebetes zu fteigern. Welche Glut
muß Greco in fich gehabt haben, um eine
Magdalena fo und nicht anders zu fehen,
und welche kalte Überlegung gehörte dazu,
den Strom feiner Ekftafe in ewige Formen
zu gießen.

Neben diefen drei großen Bildern1 find
auch die zwei andern des Meifters, die ein GREC0) Chriftus als Pilger. Zweite Epoche
kleineres Format aufweifen, in hohem Maße (Toledo)

charakteriftifch für Greco. „Der heilige

Andreas“ zeigt das Bruftbild des Heiligen im Profil, einen jener Köpfe, welche uns
aus der Apoftelfuite des Museo Provincial in Toledo und von dem Doppelapoftelbilde
im Befitje von P. P. Douonov in St. Petersburg geläufig find. Es ift einer jener Köpfe,

1 Das Bild mit Chriftus am Ölberg mißt 170X112,5 cm, die „große heilige Familie“ 130x100 cm,
die „heilige Magdalena“ 156x121 cm, der „heilige Andreas“ 70X53,5 cm und der „heilige Jacobus“
92x47 cm. — „Chriftus am Ölberg“ ift vollauf figniert, der „heilige Andreas“ monogrammiert.
Vom „Chriftus am Ölberg“ exiftiert im Mufeum zu Lille eine kleinere Wiederholung (138x92 cm);
von der „großen heiligen Familie“ zwei kleinere Repliken; das eine Exemplar (70X54 cm) im
Befilje des Königs von Rumänien („Plutöt une podhade, tres habilement enlevee, qu’un tableau
acheve“), das andere in einer belgifchen Privatfammlung, welches an Qualität mit dem Nemesfchen
Bilde nicht rivalifieren kann und vom gegenwärtigen Befifeer für 100000 Kronen erworben wurde.

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