Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

DOI Heft:
1. Heft
DOI Artikel:
Térey, Gábor: Die Greco-Bilder der Sammlung Nemes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0029

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE GRECO-BILDER DER SAMMLUNG NEMES

die der innern Glut und Askefe ihre Formen verdanken, langgezogen und edel, mit
einem weißen Bart, der in Silbertönen fpielt und wirkungsvoll abfticht von dem in
kühner Weife nebeneinander gefegten faftigen Grün und Blau der Gewandung des
Apoftels. Und ebenfo faszinierend wirkt auch „Der heilige Jacobus als Pilger“ (nicht
„Chriftus als Pilger“ wie J. Meier-Graefe in feiner „Spanifchen Reife“ meint). Die
fchmale, edle Geftalt wandelt in ihrem weißen Gewände mit dem roten Mantel und
dem Pilgerftab in der Hand, wie eine fteile, fchmale Flamme daher, überlebensgroß in
den Längendimenfionen und doch fo irdifch, fo menfchlich, daß man wirklich nur den
Pilger Jacobus als Verkünder der Worte Jefu vor fich fieht. Hinter ihm liegt Toledo,
die märchenhafte Stadt, umflort von den Schatten der Dämmerung.

Es ift ein eigenes Schickfal, daß einem Meifter wie Greco befchieden war, beinahe
drei Jahrhunderte hindurch den Todesfchlaf des Verkannten zu fchlafen, nicht einmal
Carl Jufti hat ihn auferweckt und ihm wäre gerade die Aufgabe zugefallen, in feinen
Arbeiten über fpanifche Kunft den Pla^ zu geben, der ihm gebührt. Daß feine Auf-
erftehung erft in unfere Tage fällt, ift in mancher Hinficht ein Vorteil. So kommt er
ohne die Gefolgfchaft einer imponierenden Literatur, ohne den Heiligenfehein der
Überlieferung und Pietät zu uns und fpricht ganz allein mit feinen Werken. Darum
bedeutet er für die Kunftwelt eine wirkliche Überrafchung. Denn, wer hoffte noch
auf etwas Neues nach den großen landläufigen Meiftern? Und nun find wir doch
mit einer neuen Erfcheinung bereichert worden. Daß Greco rätfelhaft und fremd ift,
macht ihn umfo anziehender, und doppelt fühlen wir dann, daß er unfer Eigen ift,
wenn wir feine Wunder begreifen gelernt haben.

6
 
Annotationen