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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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10. Heft
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Der Kunstmarkt - Von den Auktionen
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DER KUNSTMÄR KT — von den Auktionen

Bevorftehende Auktionen

AUKTION DER HAMBURGER GA-
LERIE WEBER Auf dem internationalen
Kunftmarkt bereitet [ich ein ebenfo bedeutendes
als intereffantes Ereignis vor. Wie Adolph
Donath in dem jüngften Artikel [einer vom
„Cicerone“ bereits gewürdigten Serie „Privat-
fammlungen im Reiche“ (in der „B. Z. a. M.“)
mitteilt, wird die berühmte Gemäldegalerie des
Konfuls Weber in Hamburg aufgelöft und
in der kommenden Saifon in Berlin ver-
weigert werden. Für Hamburg felbft bedeutet
der öffentliche Verkauf diefer Sammlung, die
Deutfchlands größte Privatfammlung
alter Meiftergemälde ift, einen unerfeßlichen
Verluft, für Berlin aber und den Weltmarkt
überhaupt ein Ereignis von weittragender Wich-
tigkeit. Die rapide im Ausland geradezu über-
rafchend wirkende Entwicklung des Berliner
Kunft- und Sammelmarktes wird [ich, fagt Do-
nath, durch die Auktion des Weberfchen Befißes
an alten Meiftern, die bei Lepke bald nach dem
Ausgebot der hervorragenden Budapefter Samm-
lung des Hofrats von Gerhard ftattfindet, zweifel-
los fteigern.

Konful Ed. F. Weber, der vor vier Jahren ge-
ftorben ift, hat feine Galerie im Jahre 1864 be-
gründet. Sie umfaßt 354 Gemälde alter Meifter,
die in dem prächtigen Galeriebau An der Alfter
untergebracht find, und 123 neuere Bilder, die
in den Privatgemächern des Weberfchen Palais
hängen. Die neueren Meifter der Galerie füllen
übrigens nicht verfteigert werden. Weber war
eine der großzügigften modernen Sammlernaturen.
Er hatte fchon früh mit großen Kunfthändlern
verkehrt, mit Sedelmeyer in Paris, mit Colnaghi
in London, mit den Wienern H. 0. Miethke und
Leopold Hirfch — befonders mit Hirfch —, hatte
die internationalen Auktionen befucht und es
nie unterlaßen, den Rat der Kenner einzuholen.
Bode verdankt die Weberfche Galerie manches
erftklaffige Bild, und auch Perfönlichkeiten wie
0. Eifenmann, Max J. Friedländer, Edm. Habich,
A. Haufer, Giovanni Morelli und Karl Woer-
mann, der die Galerie hervorragend katalogifierte,
haben den Hamburger Sammler wertvoll unter-
ftüßt. So brachte Weber im Lauf der Jahrzehnte
eine Sammlung alter Meifter zufammen, die nicht
nur auf dem Sammelmarkt populär geworden
ift, fondern auch von der Kunftwiffenfchaft, der
fie reiche Anregung bot, ftark frequentiert wurde.

Die Weberfche Sammlung alter Meifter ent-
hält Qualitäten von außerordentlichem Rang.
Die Hauptnamen des 14.—17. Jahrhunderts find
glänzend vertreten. Für heute fei hier bloß mit-

geteilt, daß dieGruppe der deutfchen Meifter des
14.—16. Jahrhunderts Werke vom Meifter Wil-
helm von Köln, von Dürer, Martin Schaffner,
Hans Holbein d. Ä., Cranach, Burkmaier d. Ä.,
Altdorfer, Schäufelin, Hans Baidung Grien u. a.
enthält. Unter den italienifchen Meiftern der
Renaiffance finden wir Mantegna, Tizian, Palma
Vecchio,Sodoma,unter den SpaniernVelasquez,
Murillo, Ribera, Greco und Goya, unter den
Via men Rubens mit vier Stücken, Jordaens,
van Dyck, unter den Niederländern Jan van
Scorel, den Meifter der weiblichen Halbfiguren,
J. van Cleve, ferner die niederländifchen Haupt-
meifter des 17. Jahrhunderts, an deren Spiße
man Rembrandt mit vier Stücken fieht („Die
Ehebrecherin vor Chriftus“, „Chrifti im Tempel“,
„Der halberwachfene Jüngling“ (1620) und „Jüng-
lingskopf“), ferner Franz Hals mit zwei Porträts,
dann die großen Landfchafts-, Interieur-, Genre-
und Stillebenmaler. In der Gruppe der deut-
fchen Kunft des 18. Jahrhunderts, die die Samm-
lung abfchließt, finden [ich Balthafar Denner,
Johann Heinrich Tifchbein, Lampi u. a.

DIE AUKTION DER SAMMLUNG
MAURICE KANN Das größte Ereignis des
diesjährigen Parifer Kunftmarktes wird die Ver-
weigerung der berühmten Sammlung Maurice
Kann werden, die am 9. Juni in der Galerie
Georges Petit, 8 rue de Seize, durch Lair-
Dubreuil und Henri Baudoin ftattfinden
wird. Am 7. und 8. Juni werden die 82 Bilder
in dem großen Saale des genannten Kunftfalons
einer öffentlichenBefichtigung zugänglich gemacht
werden und fomit der Liebhaberwelt Gelegen-
heit gegeben werden, zum leßten Male vereint
zu fehen, was einer der feinften Kenner hollän-
difcher Kunft, einer der findigften und leiden-
fchaftlichften Sammler in drei Jahrzehnten an
alten Kunftwerken zufammengetragen hat. Das
tragifche Gefchick der Brüder Rodolphe und Mau-
rice Kann, welche die vollftändige Inftallation
ihrer unvergleichlichen Sammlung in ihrem Hotel
in der Avenue d’Jena nicht mehr erleben durften,
ift bekannt. Noch wehmütiger wird das An-
denken an fie dadurch, daß die gefamten Früchte
ihres unvergleichlichen Sammeleifers jeßt wieder
in alle Winde zerftreut werden, foweit fie es
nicht fchon find. So fchmilzt das Ehrendenkmal,
das fie [ich felbft gefeßt hatten, in ein Nichts
zufammen und bald wird nur noch die Erinne-
rung an diefe Sammlung fein, die einmal war
und niemals wieder erftehen wird. Wenn wir
es unternehmen, fchon heute auf diefe Auktion
hinzuweifen, fo gefchieht es nicht zum Geringften
deshalb, weil wir allen deutfchen Mufeumsbeam-

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