Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

DOI Heft:
14. Heft
DOI Artikel:
Biermann, Georg: Die Leipziger Jahresausstellung in Verbindung mit dem Deutschen Künstlerbunde, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0587

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE LEIPZIGER JÄHRESÄUSSTELLUNG IN VER-
BINDUNG MIT DEM DEUTSCHEN KÜNSTLER-

er Äusftellungen diefer Ärt, deren allgemeiner Charakter in dem einleitenden Bericht kurz

umriffen wurde, aufmerkfam betrachtet, empfindet auf Schritt und Tritt das Nebeneinander
dreier verfchiedener Künftlergenerationen, unter deren Zeichen wir Heutigen leben. Einmal find
es die Älten, die längft hiftorifch gewordenen, würdigen Repräfentanten unferer Kunft, die Meifter
vom Schlage der Thoma, Zügel, Trübner, Kühl, Liebermann ufw., die ob fie fchon an Frifche fo
manchem Jüngeren weit überlegen, heute doch längft zu kunftgefchichtlichen Werten aus-
gereift find, deren Entwicklung im Großen abgefchloffen erfcheint. Troßdem vermag man
gerade bei ihnen die Vitalität ihres Schaffens oft mit einer gewiffen Bewunderung feftzuftellen,
etwa fo, daß Liebermann zum Beifpiel feiner künftlerifchen Note nach vielmehr zu den Jungen
rechnet als ein Thoma, deffen Ärt das Ältmeifterliche feines Schaffens kaum noch verleugnet.
Diefe Generation der Führer hat ihre Nachfolge in den Meiftern mittlerer Lebenslage er-
halten, zu denen unter den Berlinern in erfter Linie Slevogt und Corinth rechnen, die freilich
in ihrer genialen Urtümlichkeit markant genug aus dem Kreis ihrer Kollegen heraustreten und
der jüngeren Generation, beffer noch den Jüngften, unmittelbar die Hand reichen, deren Führer fie
in vieler Beziehung find. Für uns, die wir die Zukunft Juchen, find diefe Jungen der intereffantere
Teil einer folchen Kunftfchau. Denn in diefem Taften und Wollen faffen fie ungeftüm alle Probleme
des Vergangenen und Gegenwärtigen zufammen und fie fchrecken auch vor den Extremen nicht
zurück, felbft auf die Gefahr hin, der Lächerlichkeit zu verfallen. Eine kleine Gruppe diefer Ultra-
modernen (jagen wir der „deutfchen Expreffioniften“) paradiert auch in Leipzig und mag fich der
Philifter auch noch fo fehr über diefe Äkrobaten-Maler ärgern, das Programm einer Äusftellung
wird erft wertvoll, wenn es fo weitherzig — wie dies in Leipzig gefchehen — allen Kräften im
künftlerifch fchaffenden Deutfchland Rechnung trägt. Diefer Dresdner „Brücke“, die u. a. E. Häckel,

M.Melzer, L. Kirchner vertreten, wird man gegenüber ihren Experimenten das Kompliment frifchen
Wagemutes nicht verfagen können, im Gegenteil, wie diefe tapfere Äkrobatengemeinde jedem
Äkademifch-Konventionellen abhold ift, fo könnte man fich fehr wohl vorftellen, daß eines Tages
überhaupt die Kunft da beginnt, wo fie früher aufzuhören pflegte. Das klingt paradox, aber die
letzten Erfcheinungen der jüngften Vergangenheit laffen den umgekehrten Entwicklungsweg nicht
unmöglich fein. (Um das zu erklären, müßte man freilich ein kunftkeßerifches Collegium antilogicum
einfchalten, das fehr leicht jede feftgebaute Theorie in ihren Fundamenten erfchüttern könnte!)
Warten wir ab und hüten wir uns, über diefe Dinge vorzeitig den Stab zu brechen. Wir werden viel-
leicht eines Tages doch noch unfere blauen Wunder erleben. Für den Moment freilich erübrigt fich jede
ernfthafte Diskuffion, weil diefe ganze Richtung in ihren bisherigen Ergebniffen kaum anders denn mit
dem Stammeln von Kindeslippen verglichen werden kann. Der Leipziger Äusftellung gereicht es
jedenfalls zur befonderen Ehre, daß fie in ihrem engbegrenzten, qualitativ ungemein ausdrucksvollen
Rahmen die Repräfentation auch bis zu den Paradoxen des modernen Schaffens durchgeführt hat.

Ich mag an diefer Stelle nicht regiftrieren, was alles auf diefer Äusftellung zu fehen ift. Das
haben gewiffenhafte Reporter längft beforgt und wen es jonft intereffiert, der laffe fich einen
Katalog kommen. Er ßndet darin den deutfchen Künftlerbund mit feinen beften Namen vertreten.
Von Liebermann angefangen begegnen die vollwertigften deutfchen Maler mit ungemein charak-
teriftifchen Ärbeiten. Da find von den Süddeutfchen Carlos Grethe, Dill, Thoma, Haider, Trübner,
H. v. Volkmann, von den Berlinern neben Slevogt, Corinth u. a. Hübner, Brockhufen, E. R. Weiß,
Friß Rhein, Beckmann, Bondy, Dora,Hiß, Oppler, Orlik, K. v. Kardoff und andere längft bekannte
Sezeffioniften genannt, von den Münchnern neben Lehmann, Zügel, Keller, Stuck, Gröber, Haber-
mann, Puß und Pießfch einige der Jungen wie Walter Klemm, Eugen Feiks, Hummel u. a. ver-
zeichnet und ganz ähnlich findet man Dresden, Stuttgart, Weimar (nicht das Junge, das vorweg-
genommen wurde) vertreten. Diefe Namen beweifen höchftens für fich die Änftändigkeit des
Programms und kennzeichnen die allgemeine Linie, auf der die Repräfentation im großen auf-
gebaut ift. Hingegen möchte ich kurz noch auf einige Namen verweifen, die von fich aus— fei es,
daß fie hier zum erftenmal erfcheinen oder durch die Eigenart ihrer Werke zur Problematik locken
verdienen, befonders notiert zu werden. Dabei folge ich der Einfachheit halber der alphabetifchen
Reihenfolge, wie fie der Katalog gibt. In Helene Älbiker-Florenz begegnet eine Malerin,
die den Florentiner Winter und die Italienifche Landfchaft in einer neuen — und wie mir fcheint
ebenfo jympathifchen wie feinfühlig künftlerifchen Ärt umfchreibt. Ihr ftellt fich in Marie Caspar-

BUNDE

(Fortfeßung und Schluß)
 
Annotationen