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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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6. Heft
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Kreis, Wilhelm: Nochmals zur Bismarck-National-Denkmal-Konkurrenz
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NOCHMALS ZUR BISMARCK-NATIONÄL-
DENKMÄL-KONKURRENZ1

Von Architekt Profeffor WILHELM KREIS

Es dürfte nicht ohne Intereffe fein und es ift
gewiß für ein rafches Verftändnis einem Ent-
wurf gegenüber notwendig, von dem Urheber
einmal den Weg geführt zu werden, auf wel-
chem derfelbe mit zwingenden Gründen zum
Ziele gelangte. Wenn man bedenkt, daß viele
Künftler, die diefen Wettbewerb mitgemacht
haben, jahrelang an der Idee für diefe Sache
gearbeitet und ihren Entwurf in langer Reihe
von Monaten durcharbeiteten, während die
Preisrichter bei einer einzigen Befichtigung des
Plaßes zur Entfchließung über eine prinzipielle
Stellungnahme für die Äuffaffung der ganzen
Sache kommen konnten, fo dürfte der Wert
einer folchen prinzipiellen Stellungnahme doch
etwas abgefchwächt erfcheinen.

Unter den Bewerbern waren u. a. auch die-
jenigen Künftler, welche im Laufe längerer Er-
fahrung die Wirkung von Bauwerken auf Berges-
höhen ftudieren konnten.

Wenn ich von meiner eigenen Erfahrung fpre-
chen darf, fo kann ich wohl fagen, daß ich in
fünzigfacher Weife erfahren habe, was gut und
was fchlecht in einer Landfchaft wirkt. Ohne
irgendwie der künftlerifchen Einficht einer der
Preisrichter zu nahe zu treten, darf ich wohl
fagen, daß auch nicht ein einziger von ihnen
die Erfahrung in der Wirkung von Ärchitektur-
Denkmälern durchgemacht hat wie ich.— Durch
den Befchluß des Preisgerichts fcheint aber für
die große, weniger felbftändig urteilende Menge
der Grundfaß ein für allemal als richtig dazu-
ftehen, daß auf der Elifenhöhe bei Bingen nur
eine kleinere, der Berglinie fich anfchmiegende
Geftaltung — ohne Schaden für die Landfchaft—
l. möglich wäre. Ja es ift geradezu ein Schlag-
wort daraus gemacht worden gegenüber den
mit größerer Wucht ausgezeichneten Entwürfen,
indem man ihnen nachfagt, daß fie fchlechthin

1 Der obige Äufjaß wurde der Redaktion des „Cicerone“
vom Verfaßer nicht zuleßt im Hinblick auf die an diefer
Stelle erfolgte Publikation freundlichft zur Verfügung ge-
teilt. Er ift uns doppelt wichtig, weil fich hier einer der
berufenften Vertreter zielbewußter Monumentalität über
das künftlerifche Problem prinzipiell, und wie uns fcheinen
will, mit fchlagender Beweiskraft äußert. Audi ift es
nicht nebenfächlich zu fehen, daß auch der Künftler als
Schaffender genau zu dem gleichen Ergebnis kommt wie
der beurteilende Kritiker, der die Aufgabe nachfühlend
nur mehr theoretifch darlegen kann. Endlich find wir
überzeugt, daß unter den vielen Stimmen, die zur Be-
urteilung des Jury-Spruches laut geworden find und deren
Proteft unmöglich verhallen kann, ohne gehört zu werden,
das Urteil des verdienftvollen Düffeldorfer Architekten
fehr fchwer in die Wage fällt. Die Red.

die Landfchaft totfehlügen. Es müßte aber für
jeden Einfichtigen zuerft einmal ein gefchicht-
licher Rückblick ftattfinden auf die Entftehung
der großen Baudenkmäler in den Landfchaften,
die wir vergangenen, fchöpferifehen und we-
niger von Bedenken angekränkelten Zeiten ver-
danken. Wie ftehen die gewaltigen Rundtürme
um Verona ftimmungsvoll in der Landfchaft, in-
dem fie durch ihre Wucht den Reiz diefer er-
erhöhen, ohne ihr im geringften zu fchaden.
Wie fteht das Grabmal der Cecilia Metella in
der Campagna und wirkt felbft aus großer Nähe
für die ganze Umgebung wohltuend in feiner
ruhigen Wucht, der fich im Maßftab alles unter-
ordnet. Wie wirkt jenfeits des Tiber das Grab-
mal des Hadrian in feiner enormen Rundung,
und wie erfcheint die Uferlinie mit ihren Häufer-
maffen zierlich und umfo feiner gegenüber der
bezwingenden Macht diefes Mittelpunktes. Wie
erhebt fich über einer Stadt wie Florenz ma-
jeftätifch, klar und fcharf die Kuppel des Domes.
Wie wirkt in Meißen auf dem kaum 50 m
hohen Berge — direkt über der Stadt — der
über 60 m hohe gewaltig mit feinem Dach und
den ftumpfen Türmen ftehende Dom. In diefer
fchweren Maffe, von der Elbe aus ebenfo hoch
als breit erfcheinend, war der Dom fchöner, als
er noch keinen ausgebauten Turm hatte; er
wirkte fchwerer als jeßt, erdrückend auf die
Stadt, aber gerade darum impofant! Wie ge-
waltig wirken bei Gizeh die drei Pyramiden,
nicht etwa dem Charakter der Landfchaft ent-
fprechend in flacher, niedriger Breite, fondern
gerade richtig ftark und felbftändig durch ihre
ebenfo große Höhe als Breite. Wie würde auf
einer breiten Bergmaffe, aus der ein Vorfprung
hervortritt, eine gewaltige Rundung wirken, die
fich ficher und klar erheben würde, um nicht im
Berg zu verfchwinden, fondern auf ihm zu
thronen.

Und ftets, wenn ich einen neuen Bismarckturm
in einer Landfchaft aufgeftellt hatte, machte ich
fteigernd die Erfahrung, daß vor allem Klarheit
der Wirkung erforderlich ift, und daß für die
größte und klarfte Wirkung eine ebenfo große
Breite als Höhe — alfo eine kubifche Maffe —
notwendig ift. Während die fchlankeren Türme
in der Landfchaft mehr einen fpielenden Cha-
rakter haben und fich fehr wohl auch mit fteile-
ren Berghängen vertragen, fo entbehren fie doch
eines gewiffen fefteren Zufammenhanges mit
dem Berge und alfo auch einer ftarken Ver-
wachfung mit demfelben. Sie ftehen alfo los-

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