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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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6. Heft
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0249

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RUNDSCHAU

BELGISCHE DONATOREN Wenn
Brüffel auch nicht mit Paris in bezug auf
Schenkungen von Kunftwerken wetteifern kann
— die Zahl der auf den Marmortafeln des
„Louvre“ eingegrabenen Donatoren beläuft fich
auf 89, unter denen Lacaze, Sauvageot, His
de la Salle u. a. — fo find unferen Mufeen doch
von generöfenKunftfreunden wertvolle und inter-
effante Sammlungen zuteil geworden. Während
Frankreich zahlreiche Stücke und darunter Haupt-
werke im Laufe der Zeit nach fiegreichen Feld-
zügen aus Belgien, Deutfchland, Spanien ent-
führt und behalten hat, wodurch feine Samm-
lungen einen hohen Rang bekommen haben,
mußten die unfrigen die durch Wegnahme ent-
ftandenen Lücken allmählich ausfüllen, was immer
fchwerer wurde und jetjt faft unmöglich geworden
ift angefichts der heutigen Preife. Ift fomit eine
übermäßige Vergrößerung der Mufeumsräume,
wie fie das verfehlte Projekt König Leopold II.
vom „Mont des Ärts“ bezweckte, faft gegen-
ftandslos geworden, fo ift andrerfeits die Not-
wendigkeit einer Vervollständigung der Schulen
nicht zu leugnen. Und zur Erreichung diefes
Ziels können private Hergaben fehr wohl bei-
tragen, da in belgifdiem Privatbefit^ fich tatfäch-
lich Werke befinden, durch welche die ftaatlichen
Sammlungen allmählich komplettiert werden
können.

Die italienifchen und fpanifchen Schulen find
in ihnen bis jetjt fehr fchwach vertreten, die
englifche Schule war es bis vor kurzem gar nicht,
und fo war es zu begrüßen, daß von derLand-
fchaftsmalerin Euphrofine Beernaert (geb.
Oftende 1831, geft. Brüffel 1901), einige gute
englifche Spezimina dem alten Mufeum geftiftet
wurden. Es find das ein jos. Reynolds, Bildnis
des Architekten Chambers, ein Männerporträt
von Raeburn und ein weibliches von Ästleg.
Diefelbe Dame fchenkte ferner ein fehr gutes
Blumenftück von Breughel undTeniers, ein Ge-
mälde von van Älsloot, aus dem unter Jofeph II.
eingeäfcherten Schloß Terwüren ftammend und
ein Feft im Park dafelbft darftellend, ferner eine
Anzahl von Skulpturen, darunter die vorzügliche
Bronzebüfte des Grafen Hoorn, fowie gute
moderne Gemälde, und dem Mufeum von Ant-
werpen einen großen Memling, der aus der
Certofa von Najera ftammt. Als generöfer Do-
nator ift fodann der Bruder der Genannten, der
frühere Staatsminifter Äugufte Beernaert zu
nennen, welcher ein eifriger Sammler, Mitglied
der Mufeumskommiffion, Vorfi^ender der „Amis
du Mufee“ und ein Mäcen im wahren Sinne
des Wortes ift, ohne den es keine philantro-
pifche oder die Kunft fördernde Aktion in Brüffel
gibt. Er hat dem hiefigen Mufeum diverfe Ge-

mälde gefchenkt, für die Äntikenfammlung eine
Anzahl von griechifch-römifchen Vafen und Ta-
nagrafiguren beftimmt und dem Mufeum von Ant-
werpen einen guten Craesbeeke und den „Vogel-
fänger“ von Legs gefpendet. Unter den Dona-
toren der Mufeen find fodann noch die Sammler
Ch. L. Cardon, Mitglied der kgl. Mufeums-
kommiffion für alte Gemälde und Fri^Touffaint
für moderne zu nennen. Auch find ihnen durch
Vermächtnis gute alte Bilder von demTribunal-
präfidenten Gisler fowie von Champion de
Villeneuve zuteil geworden. Die Spitjenfamm-
lung des Cinquantenaire ift zum größten Teile
eine Schenkung der verftorbenen Frau Monte-
f iore.

In leßterZeit find nun dem genannten Mufeum,
in welchem fich die Antiken und die kunftgewerb-
lichen Gegenftände befinden, mehrere überaus
wertvolle Schenkungen zugewendet worden. Es
wurde hier bereits erwähnt, daß der Sammler
Rentner Vermeerfch teftamentarifch feine Kol-
lektion von Webereien, Arbeiten in Metall, Glas,
Porzellan, Fayence, dem obigen Mufeum ver-
macht hat. Jetzt ift eine neue Bereicherung zu
melden, indem der hiefige Sammler Albert
Evenepoel, der foeben im Alter von 75 Jahren
verfchieden ift, Brüffel zum Erben feiner Schäle
beftimmt hat. Evenepoel, ebenfo wie Veer-
meerfch Mitglied der Mufeumskommiffion, ent-
ftammte einer Gelehrtenfamilie, die dem Lande
mehrere Profefforen der Univerfität fowie Depu-
tierte gegeben hat. Er fammelte mit Vorliebe
und großer Sachkenntnis Delftfayencen fowie
Brüffeler Porzellan. Letzteres figurierte auf
mehreren hiefigen großen Ausheilungen und
wurde an Wert fogleich neben die von Fetis,
Maskens und van den Corput geftellt. Seine
Delfter Sammlung rivalifierte mit der von Lou-
don im Haag und wurde in Havard’s Gefchichte
der Delfter Keramik unter Reproduktion zahl-
reicher Stücke ausführlich befprochen. Er befaß
u. a. eine der vier exiftierenden Fayenceviolinen,
eine Reihe von polychromen Vafen auf fchwarzem
Grund, 70 Fayencebilder, darunter vier poly-
chrome, das Taufbecken der Kirche von Delft
und vieles andere. Das Porzellan geht an das
Stadtmufeum.

Ein früher verftorbener Bruder HenriEvene-
poel hat feinerzeit dem Cinquantenaire feine
Sammlung von Halsketten flämifcher Korpora-
tionen aus dem 16. und 17. Jahrhundert fowie
andere Erinnerungszeichen aus der Gefchichte
Belgiens vererbt. In dem genannten Mufeum
wird jet^t die japanifche Sammlung Michotte,
welche an 4000 Blätter enthält, in denen die
großen Künftler Japans ausgiebig vertreten find,
aufgeftellt.

Der Cicerone, III. Jahrg., 6. Heft. 18

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