Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0250
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6. Heft
DOI article:Rundschau
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DER VERKAUF VON REMBRÄNDTS „MÜHLE
Zum Schluß [ei die neuefte Schenkung erwähnt,
nämlich die des hier kürzlich verdorbenen Jon k-
heer de Grez, des vielbeneideten Befißers
eines authentifchen Vermeer van Delft, der [eine
Sammlung an alten Handzeichnungen und
Stichen dem Mufeum vererbt hat. Diefer gene-
röfe Akt ift umfomehr anzuerkennen, als der
Genannte Holländer war (geb. in Herzogen-
bufch).
Wenn die Alimentation der ftaatlichen Ga-
lerien in diefer Weife fortfährt, fo werden fie
allmählich mit andren großen Sammlungen wett-
eifern können. Hätte Leopold II. ihnen feine
alten Gemälde vermacht, fo hätte manche Lücke
ausgefüllt werden können. Bei dem befchränkten
Budget unferer Mufeen ift jedenfalls nicht mehr an
Erwerbung von Hauptwerken auf dem Kunft-
markte zu denken, und fo find unfere Samm-
lungen auf die belgifchen Mäcene angewiefen.
Die Ausheilungen der Primitiven und der Toison
d'or in Brügge und die vorjährige des 17. Jahr-
hunderts belgifcher Kunft hier haben gezeigt,
welche Schäße [ich noch im Lande befinden.
F. M.
DER VERKAUF VON REMBRÄNTDS
„MÜHLE“ UND ÄNDERE EREIG-
NISSE DES ENGLISCHEN KUNST-
HANDELS Der bcvorftehende Verkauf
derRembrandtfchen „Mühle“, die momentan
noch in Bowood, dem Landfiß des Marquis
Lansdowne, hängt, hat alle Kunftfreunde hier
in größte Aufregung verfeßt. Am l.März brachte
die „Times“ plößlich die erftaunliche Nachricht,
die zwar Kennern der Verhältniffe nicht ganz
fo iiberrafchend kam, denn etwas derartiges
drohte fchon feit langem. Zwar waren dahin-
gehende Nachrichten, die vielleicht fogar zum
Syftem gehörten, früher ftets mit großer Emphafe,
wenn nicht gar Entrüftung als völlig erfunden
dementiert worden, aber die gewünfchten
„£100 000 waren eben damals wohl noch nicht
geboten. Als fie aber lockten, gab es kein Halten
mehr. Nur fo viel öffentliches Gewiffen befaß
der „edle Lord“, daß er die Behörden der
National Gallery von dem beabfichtigten Verkauf
feines Rembrandt unterrichtete und [ich bereit
erklärte auf „£"5000 des Riefenpreifes zu Gunften
der Allgemeinheit zu verzichten, wenn diefe ihm
das Bild für die National Gallery — wie es heißt
innerhalb von nur fechs Wochen! — zu dem
Preis von „£100 000 abkaufen wollte. Der edle
Lord erhielte fo noch immer einen Riefenpreis
und könnte [ich gleichzeitig als Wohltäter des
Landes auffpielen, wie es ja jüngft in einem ähn-
lichen Falle mit Holbeins „Herzogin von Mai-
land“ gefchah. Wie aber in diefem Falle die
nötigen „£"70 000 nur durch das Eingreifen eines
Mäcen zusammengebracht wurden und zwar
ganz kurz vor Toresfchluß, fo könnte es auch
diesmal nur fein, denn niemals wird durch öffent-
liche Sammlung größerer und kleinerer Beiträge,
noch dazu in fo kurzer, eine gründliche Organi-
fation unmöglich machender Zeit, die hohe
Summe zusammengebracht werden können. Ob
sich fo bald aber wieder ein Mäcen finden wird,
der diesmal noch mehr zu zahlen hätte, ficher
nicht weniger als U/a Millionen Mark, das bleibt
doch mehr als zweifelhaft. Selbft Kunftmäcene
mit faft unbefchränkten Mitteln — und folche
wachfen jenfeits des Ozeans häufiger als hier-
zulande — werden auf die Dauer ihre Gelder
nicht dazu hergeben wollen, notleidenden oder
jedenfalls geldbedürftigten Edelleuten Phantafie-
preife für alle ihre Schäße zu zahlen. Helfen
könnte hier nur ein gefeßliches Ausfuhrverbot,
zu dem man [ich aber kaum verftehen wird. —
Es ift erftaunlich zu vernehmen, wie oft Gemälde
erften Ranges hier ihre Befißer wechfeln, und
wie viele außer Landes gehen. Der Kunfthandel
freilich profitiert davon, und fo kommt es, daß
in London eine fo große Anzahl von Weltfirmen
etabliert find, ja daß fogar auch kleinere aber
trefflich geleitete Firmen, wie die Carfax Gallery,
Shepherd Brothers und andere oft Bilder erften
Ranges zum Verkauf bekommen, teilweife auch
aus anderen Teilen Europas. — Von kürzlich
ftattgehabten Verkäufen wichtiger Bilder feien
hier nur angeführt: Velasquez „Philipp IV.“,
das hier f. Z. befprochene Original zum Bilde
der Dulwich Gallery, das von dem bekannten
amerikanifchen Sammler Henry C. Frick um
„£ 100 000 gekauft worden ift. Meffrs. Agnew
hatten es von einem Prinzen von Parma er-
ftanden, und dann hatten Meffrs. Knoedler, die
große amerikanifche Vermittlerfirma, den Kauf für
Mr. Frick perfekt gemacht. Vermeer von
Delfts „Frau Perlen wägend“, das auch kürzlich
hier anläßlich einer Ausftellung bei Meffrs. Col-
naghi behandelt wurde, ift ebenfalls nach Amerika
gewandert und zwar in die vorzügliche Samm-
lung des Mr. P. A. B. Widener in Philadelphia;
der unzweifelhaft hohe Preis, — man fpricht von
über „£20 000 in baar und Bilder anderer alter
Meifter im Werte von £ 15000 (!) im Austaufch —
ift nicht verkündigt worden. Bei diefen zwei
Bildern freilich handelt es [ich nicht um eng-
lifchen Befiß; ebenfowenig bei dem kürzlich
durch den Londoner Kunsthandel gegangenen
„Raub der Europa“ und einem Porträt von Rem-
brandt fowie deffen „Polnifchem Reiter“ das
Meffrs. Carfax in ihrer Galerie in Bury Street
vor feiner Verfchiffung nach Amerika ausgeftellt
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Zum Schluß [ei die neuefte Schenkung erwähnt,
nämlich die des hier kürzlich verdorbenen Jon k-
heer de Grez, des vielbeneideten Befißers
eines authentifchen Vermeer van Delft, der [eine
Sammlung an alten Handzeichnungen und
Stichen dem Mufeum vererbt hat. Diefer gene-
röfe Akt ift umfomehr anzuerkennen, als der
Genannte Holländer war (geb. in Herzogen-
bufch).
Wenn die Alimentation der ftaatlichen Ga-
lerien in diefer Weife fortfährt, fo werden fie
allmählich mit andren großen Sammlungen wett-
eifern können. Hätte Leopold II. ihnen feine
alten Gemälde vermacht, fo hätte manche Lücke
ausgefüllt werden können. Bei dem befchränkten
Budget unferer Mufeen ift jedenfalls nicht mehr an
Erwerbung von Hauptwerken auf dem Kunft-
markte zu denken, und fo find unfere Samm-
lungen auf die belgifchen Mäcene angewiefen.
Die Ausheilungen der Primitiven und der Toison
d'or in Brügge und die vorjährige des 17. Jahr-
hunderts belgifcher Kunft hier haben gezeigt,
welche Schäße [ich noch im Lande befinden.
F. M.
DER VERKAUF VON REMBRÄNTDS
„MÜHLE“ UND ÄNDERE EREIG-
NISSE DES ENGLISCHEN KUNST-
HANDELS Der bcvorftehende Verkauf
derRembrandtfchen „Mühle“, die momentan
noch in Bowood, dem Landfiß des Marquis
Lansdowne, hängt, hat alle Kunftfreunde hier
in größte Aufregung verfeßt. Am l.März brachte
die „Times“ plößlich die erftaunliche Nachricht,
die zwar Kennern der Verhältniffe nicht ganz
fo iiberrafchend kam, denn etwas derartiges
drohte fchon feit langem. Zwar waren dahin-
gehende Nachrichten, die vielleicht fogar zum
Syftem gehörten, früher ftets mit großer Emphafe,
wenn nicht gar Entrüftung als völlig erfunden
dementiert worden, aber die gewünfchten
„£100 000 waren eben damals wohl noch nicht
geboten. Als fie aber lockten, gab es kein Halten
mehr. Nur fo viel öffentliches Gewiffen befaß
der „edle Lord“, daß er die Behörden der
National Gallery von dem beabfichtigten Verkauf
feines Rembrandt unterrichtete und [ich bereit
erklärte auf „£"5000 des Riefenpreifes zu Gunften
der Allgemeinheit zu verzichten, wenn diefe ihm
das Bild für die National Gallery — wie es heißt
innerhalb von nur fechs Wochen! — zu dem
Preis von „£100 000 abkaufen wollte. Der edle
Lord erhielte fo noch immer einen Riefenpreis
und könnte [ich gleichzeitig als Wohltäter des
Landes auffpielen, wie es ja jüngft in einem ähn-
lichen Falle mit Holbeins „Herzogin von Mai-
land“ gefchah. Wie aber in diefem Falle die
nötigen „£"70 000 nur durch das Eingreifen eines
Mäcen zusammengebracht wurden und zwar
ganz kurz vor Toresfchluß, fo könnte es auch
diesmal nur fein, denn niemals wird durch öffent-
liche Sammlung größerer und kleinerer Beiträge,
noch dazu in fo kurzer, eine gründliche Organi-
fation unmöglich machender Zeit, die hohe
Summe zusammengebracht werden können. Ob
sich fo bald aber wieder ein Mäcen finden wird,
der diesmal noch mehr zu zahlen hätte, ficher
nicht weniger als U/a Millionen Mark, das bleibt
doch mehr als zweifelhaft. Selbft Kunftmäcene
mit faft unbefchränkten Mitteln — und folche
wachfen jenfeits des Ozeans häufiger als hier-
zulande — werden auf die Dauer ihre Gelder
nicht dazu hergeben wollen, notleidenden oder
jedenfalls geldbedürftigten Edelleuten Phantafie-
preife für alle ihre Schäße zu zahlen. Helfen
könnte hier nur ein gefeßliches Ausfuhrverbot,
zu dem man [ich aber kaum verftehen wird. —
Es ift erftaunlich zu vernehmen, wie oft Gemälde
erften Ranges hier ihre Befißer wechfeln, und
wie viele außer Landes gehen. Der Kunfthandel
freilich profitiert davon, und fo kommt es, daß
in London eine fo große Anzahl von Weltfirmen
etabliert find, ja daß fogar auch kleinere aber
trefflich geleitete Firmen, wie die Carfax Gallery,
Shepherd Brothers und andere oft Bilder erften
Ranges zum Verkauf bekommen, teilweife auch
aus anderen Teilen Europas. — Von kürzlich
ftattgehabten Verkäufen wichtiger Bilder feien
hier nur angeführt: Velasquez „Philipp IV.“,
das hier f. Z. befprochene Original zum Bilde
der Dulwich Gallery, das von dem bekannten
amerikanifchen Sammler Henry C. Frick um
„£ 100 000 gekauft worden ift. Meffrs. Agnew
hatten es von einem Prinzen von Parma er-
ftanden, und dann hatten Meffrs. Knoedler, die
große amerikanifche Vermittlerfirma, den Kauf für
Mr. Frick perfekt gemacht. Vermeer von
Delfts „Frau Perlen wägend“, das auch kürzlich
hier anläßlich einer Ausftellung bei Meffrs. Col-
naghi behandelt wurde, ift ebenfalls nach Amerika
gewandert und zwar in die vorzügliche Samm-
lung des Mr. P. A. B. Widener in Philadelphia;
der unzweifelhaft hohe Preis, — man fpricht von
über „£20 000 in baar und Bilder anderer alter
Meifter im Werte von £ 15000 (!) im Austaufch —
ift nicht verkündigt worden. Bei diefen zwei
Bildern freilich handelt es [ich nicht um eng-
lifchen Befiß; ebenfowenig bei dem kürzlich
durch den Londoner Kunsthandel gegangenen
„Raub der Europa“ und einem Porträt von Rem-
brandt fowie deffen „Polnifchem Reiter“ das
Meffrs. Carfax in ihrer Galerie in Bury Street
vor feiner Verfchiffung nach Amerika ausgeftellt
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