Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

DOI Heft:
8. Heft
DOI Artikel:
Coulin, Jules: Die Sammlung J. Bossard in Luzern
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0325

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE SAMMLUNG J. BOSSÄRD IN LUZERN

Mit 12 Abbildungen Von JULES COULIN

Die Privatfammlung, befonders von Gold- und Silberarbeiten, die [ich der Luzerner
Goldfehmied und Antiquar J. Boffard in den drei lebten Dezennien des 19. Jahr-
hunderts angelegt hat, darf, wie feiten eine Sammlung, ganz als perfönliches Dokument
angefprochen werden. Es füllten hier nicht Reihenkollektionen oder hiftorifch um-
grenzte Schaffensperioden und Künftlerindividualitäten zufammengeftellt werden. Der
Sammler fah vor allem auf die Stücke, die ihn als Goldfehmied intereffierten, auf
Raritäten, die ihm beim Antiquitätenhandel ganz vereinzelt einmal begegneten. Der
Wert beider Kriterien beruht natürlich ganz auf der Perfönlichkeit. Als letztes Jahr
der Gefchäftsbeftand des Herrn Boffard aufgelöft wurde, wies Ernft Baffermann-Jordan
im Vorwort zu dem 2750 Nummern zählenden Katalog auf die einzigartige Vielfeitig-
keit der Taufenden von Kunftfreunden und Sammlern bekannten Kollektion hin; was
aus dem Lagerbeftand im Laufe der Jahre in die Privatfammlung kam, war gewiffer-
maßen die Quinteffenz deffen, was die Kennerfchaft und Erfahrung des Beßkers in
jenen guten Zeiten, wo qualitätvolle Antiquitäten noch in gewiffer Auswahl zu finden
waren, zufammengetragen hat. Doch nicht allein das Seltene oder Abfonderliche kam
in den Privatfehrank; Herr Boffard fammelte befonders auch vom Gefichtspunkt des
Goldfchmiedes aus, wobei ihn Stücke von befonderer Technik, eigenartiger Form und
hervorragender äfthetifcher Qualität intereffierten. Aus einer alten Goldfchmiedfamilie
hervorgegangen, hat [ich der Befi^er diefer Sammlung durch jahrzehntelange praktifche
Tätigkeit als ein Künftler ausgewiefen, deffen an befter heimifcher Tradition ge-
bildeter Gefchmack, deffen feines Gefühl für Form, Farbe und Eigenwert des Materials
in den weiteften Kreifen der Kenner gefchäßt werden. Nur nebenbei fei darauf hin-
gewiefen, daß fchon Luthmer (Gold und Silber, 1888) Boffard zu den erften zeitgenöffi-
fchen Goldfehmieden zählt, wobei feine vollendeten Arbeiten im Geifte der Re-
naiffancemeifter Augsburgs und Nürnbergs gerühmt werden. (Eine größere Zahl von
Werken und die Literatur verzeichnet das Schweizerifche Künftler-Lexikon.)

Alfo der Fachmann mit erfahrenen, fein kultivierten Augen, der Künftler, der zur
eigenen Freude das äfthetifch und handwerklich Gediegene [ich zufammenftellt, fpiegelt
ßch in diefer Sammlung, auf deren Eigenart und Reichtum wir hier noch verweifen
wollten, bevor fie, auf der Münchner Auktion zu Ende Mai, Stück für Stück in die
Welt hinaus verftreut wird.

Befonders reich an originellen Formen und feltenen Originalftücken ift die Boffardfche
Becherfammlung. Die Trinkgefäße waren ja eine Lieblingsaufgabe der deutfehen
und fchweizerifchen Goldfehmiede und unfere Kollektion vermittelt den beften Begriff
von der Mannigfaltigkeit ihrer Löfungen. Hier find einfache Holzbecher in vergoldeter
Silbermontierung. Der eine, aus der Sammlung Gedon, hat vier Reife um den Leib,
eine gravierte Drachenbordüre um den Lippenrand und eine geftochene Umrandung
des Bodens. Der andere, aus dem Regensburger Silberfund ftammend, ift von aroma-
tifchem Holz, aus Weichfelftäben zufammengefeßt. Viel reicher in der Form ift die
ganze Kokosnuß in gotifcher Faffung, wie fie das Wallifer Exemplar aus dem 15. Jahr-
hundert repräfentiert. Hier kommt noch die ganze „Indianifche Nuß“ als befondere
Merkwürdigkeit zur Verwendung; feine Zifelierarbeit, das Vorhandenfein eines email-
lierten Familienwappens in dem von einer Eichel bekränzten Deckel, erhöhen den Wert
des Bechers, der eines der früheften bekannten Exemplare feiner Art ift. Audi aus
dem 16. Jahrhundert find Kokosnußbecher da; einer, der in Faffung und Ornament an

296
 
Annotationen