DOI Heft:
4. Heft
DOI Artikel:Der Staat und die Kunst in Frankreich
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0162
DER STÄÄT UND DIE KUNST IN FRANKREICH
Der Bericht über die fchönen Künfte, der im
Namen der Kommiffion des Budgets für
1911 in Frankreich verfaßt ift, umfaßt diefes
Mal 860 Seiten, von denen 224 den Text und
die übrigen Dokumente umfaffen. Weder Du-
jardin - Beaumetz, noch Simyan , noch Masse
auch nicht Couyba, der bisher dem gründlichften
und geiftreichften Bericht zufammenftellte, haben
einen fo gewaltigen Raum für diefe Hrbeit be-
anfprucht wie Paul Boncour, dem für diefes Jahr
diefe intereffante Hufgabe geftellt wurde. Die
Folge war, daß die ganze Parifer Preffe fich
wochenlang mit diefem monumentalen Werk
befchäftigte. Erfchöpfender konnte diefer Bericht
nicht bearbeitet werden. Da aber die franzö-
fifche Kammer noch viele andere Dinge zu ver-
handeln hat, wird fie kaum Zeit finden, fich mit
den einzelnen Fragen fo eingehend zu befchäf-
tigen, wie Paul Boncour es in feinem Bericht
für das Budget getan hat. Immerhin fühlt man
in den weiteften Kreifen Frankreichs — befon-
ders feit der Münchner Äusftellung im Herbft-
falon, auf die auch Paul Boncour wiederholt zu
fprechen kommt —daß Reformen in derMufeums-
pflege, im Kunftunterricht und in der kunftge-
werblichen Äusbildung fehr dringend nottun.
Nachdem Boncour in der Einleitung feines Buches
die Verhältniffe zwifchen Politik und Kunft,
Demokratie und Kunft und andere allgemeine
Themen breit erörtert hat, verlangt er einen
energifchen Schuf) der Denkmäler, eine Refor-
mierung der Parifer und römifchen Akademie
und eine vollftändige Umbildung der Kunft-
gewerbefchulen. Huf Einzelheiten können wir
hier nicht eingehen; aber einige Zahlen werden
das Intereffe der Lefer finden: Die Budget-
kommiffion verlangt (Kunft,Theater und Literatur)
im ganzen 19764163 fs.; davon entfallen auf
die Zentraladminiftration 664775 fs.; auf den
Unterricht der fchönen Künfte 1353225 fs., auf
die Theater 2138400 fs. ufw. Mit Intereffe
werden die Deutfchen aus diefem dicken Bande
entnehmen, wen die franzöfifche Regierung im
leßten Jahre mit der Ausarbeitung von Denk-
fchriften betraut hat. Bemerkenswert ift, daß
nicht nur Kunfthiftoriker, fondern auch Schrift -
fteller, die befondere Fachkenntniffe bewiefen
haben, zu diefen Arbeiten herangezogen werden.
Der Dichter und Kunftkritiker Gabriel Mourey
verfaßte einen Bericht über das Kunftgewerbe
auf der Brüffeler Weltausftellung, der Regierungs-
beamte Soulie über den Stand des Kunftgewerbes
in Italien, der Konfervator von Verfailles über
die Mufeen in Berlin und Wien. Der Schrift-
fteller und Kunftkritiker Georges Lecomte über
die Kunft in Italien, der Mufeumsaffiftent und
Bibliothekar Deshairs über die japanifche Kunft-
ausftellung in London ufw.
Während diefer Vorbereitungen zu den Kunft -
debatten in der Kammer ift Carolus Duran für
weitere fechs Jahre zum Direktor der römifchen
Akademie ernannt worden. Damit ift wohl eine
Reformierung des Inftituts der Diskuffion ent-
hoben und diefer Teil der Boncourfchen Denk-
fchrift erledigt. Eine Illuftrierung zu den Aus-
führungen diefes Deputierten ift die Jahresaus-
ftellung der Neuerwerbungen und Beftellungen,
die das Unterftaatsfekretariat der fchönen Künfte
in der Kunftakademie eröffnet hat. Der Katalog
führt 530 Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen,
Radierungen, Lithographien und 85 kunftgewerb-
liche Arbeiten auf gegen 455 und 45 (1908) und
408 und 42 (1909); darunter 1910: 185 Gemälde,
253 Schwarz-Weiß-Kunft, 104 Skulpturen. Das
Ausland ift folgendermaßen vertreten: 1. Ge-
mälde: Norwegen 1, Spanien 2, Schweiz 3,
Holland 2, Slavifche Länder 5. — 2. Schwarz-
Weiß-Kunft: England 2, Amerika 2, Schweiz 4,
flavifche Länder 4. — 3. Plaftik: Schweiz 3. —
4. Kunftgewerbe: Schweiz4, flawifche Länder3,
Deutfchland 4. In der Gemäldeabteilung find
Blanche, Douchez, Diriks, Henri Martin, Stettier,
La Touche, Chapuy als befte Namen vetreten,
in der Schwarz-Weiß-Abteilung: Besnard, Boutet
de Monvel, Forain (20 Zeichnungen), Leandre,
Legrand, Roux, Raffaelli, Signac, Steinlen, in
der Plaftik Landowski, Marquet, Niederhaufen-
Rodo, Rodin (5 Arbeiten). Die diesjährige Aus-
heilung unterfcheidet fich kaum von der des
Vorjahres. Sie läßt manchen teuren Namen
vermiffen und enthält viel durchfchnittliches.
Von den erworbenen Kunftwerken find 25 für
öffentliche Gebäude und 39 find für Mufeen
oder Staatsgebäude der Provinz beftimmt. Die
bedeutenden Ankäufe find fünf Skulpturen Rodins.
die Büfte Mahlers, des Schülers Legros, die Eva
in Bronze und drei feltfame Studien in künftlich
grün und blau patinierter Bronze: ein Torfo,
ein männlicher Kopf und die Gefichtsftudie eines
indifchen Mädchens. Gerade an diefen drei
Arbeiten erkennt man die Frifche des fiebzig-
jährigen Meifters. Sie find aus einer neuen
Technik herausentwickelt und geben mit zwin-
gender Kraft neue Erkenntniffe der menfchlichen
Phyfiognomie, momentan empfundene Charakter-
ausdrücke im menfchlichen Körper. Bemerkens-
wert find auch Skulpturen von Landowski und
Niederhaufen-Rodo. O. G.
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Der Bericht über die fchönen Künfte, der im
Namen der Kommiffion des Budgets für
1911 in Frankreich verfaßt ift, umfaßt diefes
Mal 860 Seiten, von denen 224 den Text und
die übrigen Dokumente umfaffen. Weder Du-
jardin - Beaumetz, noch Simyan , noch Masse
auch nicht Couyba, der bisher dem gründlichften
und geiftreichften Bericht zufammenftellte, haben
einen fo gewaltigen Raum für diefe Hrbeit be-
anfprucht wie Paul Boncour, dem für diefes Jahr
diefe intereffante Hufgabe geftellt wurde. Die
Folge war, daß die ganze Parifer Preffe fich
wochenlang mit diefem monumentalen Werk
befchäftigte. Erfchöpfender konnte diefer Bericht
nicht bearbeitet werden. Da aber die franzö-
fifche Kammer noch viele andere Dinge zu ver-
handeln hat, wird fie kaum Zeit finden, fich mit
den einzelnen Fragen fo eingehend zu befchäf-
tigen, wie Paul Boncour es in feinem Bericht
für das Budget getan hat. Immerhin fühlt man
in den weiteften Kreifen Frankreichs — befon-
ders feit der Münchner Äusftellung im Herbft-
falon, auf die auch Paul Boncour wiederholt zu
fprechen kommt —daß Reformen in derMufeums-
pflege, im Kunftunterricht und in der kunftge-
werblichen Äusbildung fehr dringend nottun.
Nachdem Boncour in der Einleitung feines Buches
die Verhältniffe zwifchen Politik und Kunft,
Demokratie und Kunft und andere allgemeine
Themen breit erörtert hat, verlangt er einen
energifchen Schuf) der Denkmäler, eine Refor-
mierung der Parifer und römifchen Akademie
und eine vollftändige Umbildung der Kunft-
gewerbefchulen. Huf Einzelheiten können wir
hier nicht eingehen; aber einige Zahlen werden
das Intereffe der Lefer finden: Die Budget-
kommiffion verlangt (Kunft,Theater und Literatur)
im ganzen 19764163 fs.; davon entfallen auf
die Zentraladminiftration 664775 fs.; auf den
Unterricht der fchönen Künfte 1353225 fs., auf
die Theater 2138400 fs. ufw. Mit Intereffe
werden die Deutfchen aus diefem dicken Bande
entnehmen, wen die franzöfifche Regierung im
leßten Jahre mit der Ausarbeitung von Denk-
fchriften betraut hat. Bemerkenswert ift, daß
nicht nur Kunfthiftoriker, fondern auch Schrift -
fteller, die befondere Fachkenntniffe bewiefen
haben, zu diefen Arbeiten herangezogen werden.
Der Dichter und Kunftkritiker Gabriel Mourey
verfaßte einen Bericht über das Kunftgewerbe
auf der Brüffeler Weltausftellung, der Regierungs-
beamte Soulie über den Stand des Kunftgewerbes
in Italien, der Konfervator von Verfailles über
die Mufeen in Berlin und Wien. Der Schrift-
fteller und Kunftkritiker Georges Lecomte über
die Kunft in Italien, der Mufeumsaffiftent und
Bibliothekar Deshairs über die japanifche Kunft-
ausftellung in London ufw.
Während diefer Vorbereitungen zu den Kunft -
debatten in der Kammer ift Carolus Duran für
weitere fechs Jahre zum Direktor der römifchen
Akademie ernannt worden. Damit ift wohl eine
Reformierung des Inftituts der Diskuffion ent-
hoben und diefer Teil der Boncourfchen Denk-
fchrift erledigt. Eine Illuftrierung zu den Aus-
führungen diefes Deputierten ift die Jahresaus-
ftellung der Neuerwerbungen und Beftellungen,
die das Unterftaatsfekretariat der fchönen Künfte
in der Kunftakademie eröffnet hat. Der Katalog
führt 530 Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen,
Radierungen, Lithographien und 85 kunftgewerb-
liche Arbeiten auf gegen 455 und 45 (1908) und
408 und 42 (1909); darunter 1910: 185 Gemälde,
253 Schwarz-Weiß-Kunft, 104 Skulpturen. Das
Ausland ift folgendermaßen vertreten: 1. Ge-
mälde: Norwegen 1, Spanien 2, Schweiz 3,
Holland 2, Slavifche Länder 5. — 2. Schwarz-
Weiß-Kunft: England 2, Amerika 2, Schweiz 4,
flavifche Länder 4. — 3. Plaftik: Schweiz 3. —
4. Kunftgewerbe: Schweiz4, flawifche Länder3,
Deutfchland 4. In der Gemäldeabteilung find
Blanche, Douchez, Diriks, Henri Martin, Stettier,
La Touche, Chapuy als befte Namen vetreten,
in der Schwarz-Weiß-Abteilung: Besnard, Boutet
de Monvel, Forain (20 Zeichnungen), Leandre,
Legrand, Roux, Raffaelli, Signac, Steinlen, in
der Plaftik Landowski, Marquet, Niederhaufen-
Rodo, Rodin (5 Arbeiten). Die diesjährige Aus-
heilung unterfcheidet fich kaum von der des
Vorjahres. Sie läßt manchen teuren Namen
vermiffen und enthält viel durchfchnittliches.
Von den erworbenen Kunftwerken find 25 für
öffentliche Gebäude und 39 find für Mufeen
oder Staatsgebäude der Provinz beftimmt. Die
bedeutenden Ankäufe find fünf Skulpturen Rodins.
die Büfte Mahlers, des Schülers Legros, die Eva
in Bronze und drei feltfame Studien in künftlich
grün und blau patinierter Bronze: ein Torfo,
ein männlicher Kopf und die Gefichtsftudie eines
indifchen Mädchens. Gerade an diefen drei
Arbeiten erkennt man die Frifche des fiebzig-
jährigen Meifters. Sie find aus einer neuen
Technik herausentwickelt und geben mit zwin-
gender Kraft neue Erkenntniffe der menfchlichen
Phyfiognomie, momentan empfundene Charakter-
ausdrücke im menfchlichen Körper. Bemerkens-
wert find auch Skulpturen von Landowski und
Niederhaufen-Rodo. O. G.
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