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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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8. Heft
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Mayer, August Liebmann: Die "Inmaculada Concepcion" von Greco
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0322

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DIE „INMHCULÄDÄ CONCEPCION“ VON

GRECO Mit einer Tafel / Von ÄUGUST L. MÄYER

Das Jahr 1613 brachte dem glaubensftarken katholifchen Spanien eine große Senfa-
tion. Der Predigerorden erlaubte fich nämlich, feine befondere Meinung über das
Myfterium der Inmaculada Concepcion, der unbefleckten Empfängnis Mariae, zu haben
und durch feine Mönche überall vortragen zu laffen. Ob diefer moderniftifchen Tat,
wie man wohl heute fagen würde, entftand aller Orten die größte Aufregung. Die
Jefuiten, Franziskaner und Dominikaner ftritten fich über diefes Thema aufs erbittertfte.
Befonders hoch ging es in Sevilla her, da beteiligten fich alle Kirchen, Klöfter und
Bruderfchaften, felbft die Neger und Mulatten. Ein Vierzeiler, von D. Miguel Cid ge-
dichtet, war in aller Mund:

Todo el mundo en general
ä voces, Reina escogida,
diga que sois concebida
sin pecado original.

Natürlich fiegte die fromme Meinung, und durch ein Breve Pauls V. vom 21. Äuguft
1617 wurde der öffentliche Vortrag der moderniftifchen Änficht unterfagt.

Die Bekenner und Verfechter des Dogmas fuchten ihre Verehrung der Inmaculada
auf jede Art zu beweifen, und wenn fchon früher Gemälde und Skulpturen mit der
Darftellung der Unbeßeckten von einzelnen Künftlern gefchaffen wurden, fo gehörte
diefer Vorwurf nun zu den allerbeliebteften der Kunft. Die erften zeitlich feftlegbaren
Arbeiten von Zurbaran und Velazquez find beifpielsweife diefem Thema qewidmet
(1616 und 1617).

Natürlich herrfchte auch in dem fpanifchen Rom, in Toledo, über diefen Fall große
Erregung, und es ift fomit kein Wunder, wenn der bedeutendfte Künftler, den die
alte Kaiferftadt in jenen Jahren barg: Domenico Theotoköpuli, el Greco fich mit diefem
Thema befaßte. In dem Inventar, das Grecos Sohn, Jorge Manuel, von den von
feinem Vater hinterlaffenen Gemälden aufgeftellt hat, wird eine „unvollendete Con-
cepcion“ (una Concepcion no acabada) erwähnt.

Das Bild ift uns erhalten. Vor einigen Jahrzehnten befand es fich in Cadiz, kam
dann nach Madrid, wo es verfchiedene Herren hatte (Dr. Borondo, marques de Casa
Torres, marques de la Vega Inclan, D. Luis de Navas), fchließlich nach München
(Galerie Heinemann), wo es der Budapefter Sammler Marcell von Nemes unlängft er-
warb und fo feiner bekannten Grecoferie ein weiteres Hauptftück hinzufügte.

Von allen Autoren, felbft von Coffio, wurde das Gemälde irrigerweife bisher als
eine Himmelfahrt Mariä bezeichnet. Dem Verfaffer diefer Zeilen war es bereits vor
einiger Zeit vergönnt, in diefen Blättern wie an einer weiteren Stelle, auf die wahre
Bedeutung des Bildes kurz hinzuweifen.1 Nachdem der jetzige Beßrer dem Ge-
mälde von berufener Hand die überaus notwendige Reinigung hat zuteil werden
laffen, find einige der Attribute, die man früher überhaupt nicht erkannte (z. B. das
Schiff, die Schlange, der Mond), zum Vorfchein gekommen und die anderen, vor
allem der prachtvolle Rofen- und Lilienzweig, nun erft in ihrer ganzen farbigen Schön-
heit zu genießen.

1 El Greco in Toledo, Zeitfchr. f. bild. K., N. F. XXII, S. 81. — Cicerone III, S. 56.

Der Cicerone, III. Jahrg., 8. Heft. 23

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