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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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8. Heft
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Mayer, August Liebmann: Die "Inmaculada Concepcion" von Greco
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0323

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DIE „INMACULADA CONCEPCION“ VON GRECO

Unvollendet [ind die Engelköpfchen, über denen Maria fchwebt; das Gewand der
Jungfrau wie die der begleitenden Engel wären ficher noch von dem Meifter weiter
mit Lichtfprifeern bedacht worden, hätte ihn nicht vor Abfchluß der Arbeit der Tod
erreicht.

Ift Greco in der Anordnung der Attribute ganz dem fpanifchen Schema gefolgt, fo
erlaubte er fich bei der heil. Jungfrau eigene Bahnen zu wandeln: Die Hände der
Purisima find nicht, wie es fonft üblich ift, auf der Bruft gekreuzt oder gegeneinander
gefaltet und der Blick nicht nach unten gefenkt, die heil. Jungfrau nimmt vielmehr ganz
die Stellung altchriftlicher Orantenfiguren ein, ein Motiv, das man fich vielleicht aus
Grecos byzantinifchen Erinnerungen erklären darf. Diefe Haltung wie die mufizierenden
Engel haben wohl in erfter Linie zu der falfchen Bezeichnung „Himmelfahrt“ bei-
getragen. Man hat dann das Bild noch in Beziehung zu der „Himmelfahrt“ in
S. Vicente zu Toledo gebracht und es gewiffermaßen als eine Art Vorftudie betrachtet.
Allein das Gemälde in S. Vicente ift zwifchen Anfang 1608 und 17. April 1613 ent-
ftanden und die Concepcion erft nachher.

ln künftlerifcher Hinficht gehört die „Concepcion“ zu den beften Arbeiten des
Meifters. Die Landfchaft mit den fo überaus malerifch behandelten „Attributen“ der
Purisima ift nicht weniger zu rühmen als die fo eigenartig hoheitsvolle Geftalt der
Jungfrau. Die Technik ift wie ftets außerordentlich raffiniert. Die Heranziehung der
rotbraunen Grundierung zur Schattenangabe ift bis aufs äußerfte getrieben.

Daß diefe Concepcion das einzige Bild Grecos ift, das diefen Gegenftand be-
handelt, muß bei der fich fo häufig wiederholenden Art des Künftlers befonders
betont werden.

Ich möchte die Gelegenheit benutzen und hier kurz noch auf etwas hinweifen,
das mit der befprochenen Concepcion eigentlich nichts unmittelbar zu tun hat: auf
Grecos Stellung zu Correggio. Höchft fonderbarerweife hat bisher keiner der
Biographen des Griechen von Toledo hierauf geachtet.

Greco ift keineswegs nur den Problemen nachgegangen, die, oberflächlich betrachtet,
eine Verwandtfchaft mit denen moderner Maler befi^en. Er ftudierte neben dem
Problem der dekorativen Malerei auch die ganz naturaliftifchen Wirkungen des Hell-
dunkels. Die Art wie er, abgefehen von dem Genrebild mit dem kohleanblafenden
Mann, die „Anbetung der Hirten“ behandelt hat, ift ohne den unmittelbaren Einfluß
der Werke Correggios undenkbar. Er muß jene „Nacht“ Correggios gefehen haben.
Sein Weg von Venedig nach Rom führte ihn ja auch über Parma. Aber nicht nur
das. Greco fcheint auch in Modena ein Gemälde Corregios kopiert zu haben.

Im Atrio der Kapitelfäle des Eskorial hing früher eine Kopie nach Correggios
Maria mit dem Chriftkind, der heil. Katharina und dem heil. Sebaftian, alfo wohl eine
Kopie nach dem jetjt im Louvre, einft aber in Modena befindlichen Gemälde. Wie
uns nun Fr. Francisco de los Santos in feiner Eskorialbefchreibung von 1683 mitteilt,
galt el Greco als der Autor diefer Kopie, und der fchriftftellernde Mönch wird diefe
Notiz fich nicht aus den Fingern gefogen haben. Sie ftimmt ja auch zu allem anderen.
Mir fcheint, daß Greco auch Madonnenbilder, wie die im Museo Civico zu Mailand,
auf fich hat wirken laffen. Jene Art der pikanten, afymmetrifchen Anordnung des
Kopftuches der Madonna, wie fie dort Correggio zeigt, kehrt bei Greco häufig wieder.

Abgefehen von diefen Kleinigkeien und der Aufnahme des Helldunkelftudiums,
verbindet aber noch ein weiteres Greco mit Correggio, ein koloriftifches Moment: die

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