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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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4. Heft
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Braun, Edmund Wilhelm: Die Sammlung von Porträtminiaturen des Herrn Dr. Ludwig von Flesch-Festau in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0147

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DIE SAMMLUNG VON PORTRÄTMINIÄ-
TUREN DES HERRN Dr. LUDWIG VON
FLESCH-FESTÄU IN WIEN

Mit 22 Abbildungen Von EDMUND WILHELM BRAUN, Troppau

Die Vorliebe für das fyftematifche Sammeln von Porträt-
miniaturen des 18. und der erften Hälfte des 19. Jahr-
hunderts ift in Wien noch recht jung, aber trotjdem fin-
den fich heute fchon in der öfterreichifchen Kaiferftadt eine
Reihe von Miniaturenfammlungen, die es zum Teil fchon mit
den alten, großen Kollektionen in England und Frankreich
aufnehmen können. Vereinzelte Liebhaber für die charmanten
Kleinporträts hat es fchon früher in Wien gegeben, die fie in
einer Zeit, als es noch nicht Mode war, fie zu fammeln, um
niedere Preife erwarben; um Preife, die uns angefichts der
Ungeheuern Steigerung in den lebten drei bis vier Jahren
geradezu lächerlich erfcheinen. Und es war früher außer-
ordentlich leicht, gerade in Wien Miniaturen zu erwerben,
wo in den alten Familien ein recht reiches Material an bezeichneten Miniaturen,
fowohl was den Dargeftellten als den Künftler betraf, vorhanden war, das aber
nur vom familiengefchichtlichen Standpunkte aus ererbter Pietät und faft gar nicht vom
künftlerifchen aus betrachtet wurde. Es war das für die Sammler umfo erfreulicher,
als gerade Wien einige Miniaturenmaler hervorgebracht hat, die es mit den englifchen
und franzöfifchen ruhig aufzunehmen vermögen, ja der bedeutendfte unter ihnen,
Füger, kann, was künftlerifche Qualität betrifft, nur mit den allergrößten feiner fran-

zöfifchen und englifchen Kollegen, mit Hall,
Ifabey, Smart und Cosway gleichbewertet wer-
den. Sicherlich hat er in feinen Anfängen [tark
unter englifchen Einflüßen geftanden, aber [ehr
bald hat er feine wundervolle, reiche Perfön-
lichkeit zu entfalten gewußt, die feinen Minia-
turen einen kaum hoch genug anzufchlagenden
künftlerifchen Wert und einen geheimnisvollen
Charme verleiht. Der Wiener Kongreß mit feiner
beifpiellofen Entfaltung an Pracht, Prunk und
Feften, mit feiner Vereinigung geiftvoller und
vornehmer Männer, fowie fchöner Frauen war
für die Entwicklung der Miniaturmalerei in Wien
nach Füger von höchfter Bedeutung. Eine ftatt-
liche Reihe von wirklichen Meiftern diefer reiz-
vollen Kleinkunft entftand damals in diefem
Milieu. Die artiftifchen Qualitäten der Minia-
turenporträts von Wiener Provenienz waren denn
auch das treibende Motiv zur Anlegung von
Sammlungen, unter denen als die bedeutendfte
und frühefte die des kürzlich verftorbenen
Baron Othon Bourgoing anzuführen ift. Baron

Abb. 1

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