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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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13. Heft
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Zimmermann, Ernst: Die Porzellanschätze des kaiserlichen Schatzhauses und des Museums zu Konstantinopel
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0532

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DIE PORZELLHNSCHÄTZE DES KAISER-
LICHEN SCHATZHAUSES UND DES MU-
SEUMS ZU KONSTHNTINOPEL

Von ERNST ZIMMERMANN

September vorigen Jahres wurde ich, wie der Cicerone bereits gemeldet, von der
Generaldirektion der kaiserlich ottomanifchen Mufeen nach Konftantinopel berufen,
um die dort nach der lebten Revolution, die anfcheinend überall ein freieres geiftiges
Leben zur Folge gehabt hat, im kaiferlichen Befitz Vorgefundenen, alten Porzellane
zu beftimmen und zu katalogifieren. Es handelte fich auf der einen Seite um die-
jenigen Stücke, die die fiegreiche Partei im Jildis - Kiosk, dem Wohnfi^e des ent-
thronten Sultans, entdeckt und nach dem Neuen Antiken-Mufeum überführt hatte,
um fie dort öffentlich zur Aufhellung zu bringen, dann aber vor allem, um die inter-
effanten, alten Beftände des bisher fo ungemein fchwer zugänglichen „Schatzhaufes“ im
alten Serai, die, wegen allgemeinen Platzmangels bisher dort nur zum allerkleinften
Teil aufgeftellt, in den Depots und einem tiefen unterirdifchen, noch aus byzantinifcher
Zeit ftammenden Keller lagerten, den vielleicht während der Zeit der Türkenherrfchaft nie
der Fuß eines Europäers betreten hat. Es war fomit eine äußerft intereffante Auf-
gabe, die hier einem dargeboten wurde, eine Aufgabe, die in einem in Anbetracht des
märchenhaften Reichtums, den man für gewöhnlich mit allen Gewalthabern des Orients
in Verbindung bringt, die höchften Erwartungen auslöfte. Und auch für die Wiffen-
fchaft konnte gar viel erhofft werden. Hatte doch der Orient, als deffen kultureller
Mittelpunkt immer Konftantinopel zu gelten hatte, feitdem es die Stadt der Türken ge-
worden war, viel früher mit dem fernen Often, in Verbindung geftanden, als der Welt-
teil, in dem wir leben, und konnten daher hier ganz andere Dinge und viel frühere
fich in alten Zeiten angefammelt haben, als bei uns. So durfte man auf große Aus-
beute hoffen, vielleicht die letzte, die einem in Europa auf diefem Gebiete noch winkte.

Diefe Erwartungen find nun auch an Ort und Stelle zum größten Teil erfüllt worden
— freilich weit mehr im kaiferlichen Schatzhaufe, als im Mufeum, deffen Porzellane,
wie fich bald als faft ficher herausftellte, urfprünglich auch dem erfteren angehört
haben, aber keine Auswahl des Allerbeften desfelben darftellen, und auch im Schatz-
haufe erft, fobald fich die Depots öffneten und nun die dort in ganzen Reihen auf-
geftapelten, zum Teil wohl mit Jahrhunderte altem Schmutz bedeckten Stücke einzeln
vor einem ausgebreitet wurden. Denn das Schatzhaus felber [teilte bisher überhaupt nur
ein ganz buntes, völlig fyftemlofes Durcheinander von neuen und alten, von wertvollen
und wertlofen Sachen dar, und von den Porzellanen waren gerade diejenigen, die
künftlerifch wie wiffenfchaftlich befonders wertvoll erfcheinen, noch gar nicht fichtbar ge-
macht. So konnte den wirklichen Inhalt diefes Haufes bisher keiner der wenigen, die
es bisher befuchen durften, auch nur im mindeften ahnen.

Die LJberrafchungen lagen nun zunächft in der Feftftellung der großen Anzahl der
im Mufeum wie im Schatzhaufe befindlichen Stücke. Auf taufend war diefelbe vorher
angegeben worden. So viel betrugen allein die im Mufeum. Die der Schatzkammer
können die Zahl 4—5000 bedeutend überfchreiten. Ein folcher Zuwachs an Studien-
material kann immer nur erwünfcht fein; er ift es hier um fo mehr, da er fich auf
Gebiete erftreckt, die bei uns noch keineswegs fo reich vertreten find, daß eine Er-
weiterung derfelben nicht fehr willkommen wäre. Freilich find es diefer Gebiete hier nur
wenige: um es gleich zu fagen, es handelt fich hier eigentlich nur um die des chine-

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