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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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13. Heft
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Zimmermann, Ernst: Die Porzellanschätze des kaiserlichen Schatzhauses und des Museums zu Konstantinopel
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0533

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DIE PORZELLANSCHÄTZE IN KONSTANTINOPEL

fifchen und des Meißner Porzellans. Alle übrigen haben hier keine wefentliche Be-
reicherung zu erwarten. Aber hier — und namentlich auf dem des chinefifchen Por-
zellans — ift diefe eine fo große, daß ihre Einseitigkeit daneben nicht in Betracht
kommt.

Um mit dem chinefifchen Porzellan zu beginnen: es war bisher fchon etwas Be-
fonderes, wenn man vor einer Gruppe von etwa 30 alten Seladonen ftand. So viel
etwa betrug die Anzahl, die man voriges Jahr auf der Ausftellung altchinefifcher Por-
zellane des Burlington Art Club in London zu fehen bekam. Wie aber, wenn man
hier im Schaßhaufe plößlich aufgeftapelten Haufen von diefen gegenüber trat, deren
Zahl ficherlich die Zahl Taufend bedeutend überfchritt! Und welche Größen, welche
Qualitäten und meift auch welche Erhaltung! Man kann getroft fagen, daß man bisher
die künftlerifche und technifche Höhe diefes Erzeugniffes noch nirgends in ihrem ganzen
Umfange hat erkennen können. Zunächft, wie herrlich klar und durchfichtig erfcheint
hier an den meiften Stücken die Glafur, die bald hellere, bald dunklere Nuancen zeigt,
immer aber eine gewiffe Tiefe bewahrt! Dann, wie künftlerifch die Verzierungen, die
bald ganz ungewöhnlich ßott in großen Schwüngen in die noch nicht gebrannte Maffe
eingerißt, bald in reicher Arbeit auf Grund geiftvoller Zeichnungen kunftvoll in diefe
eingegraben find! Bisher nie an Seladonen gefehene Motive zeigen diefe Zeichnungen:
große Tiere und ganze Landfchaften, ja felbft große arabifche Schriftzeichen, die äußerft
gefchickt der übrigen Ornamentik eingefügt find. Die prächtigften Stücke aber waren
zwei große Schalen, die in der geiftreichften und kühnften Weife komponierte Irismotive
in reichfter Durchführung zeigten. Sie überftrahlten alle übrigen Stücke bei weitem.
Daneben fanden fich auch folche mit plaftifchen Erhebungen, die, vielfach unglafiert,
Sich mit ihrer im Feuer rot gewordenen Maffe fcharf vom grünen Grunde abhoben.
Einige derartig dekorierte Stücke waren bisher bekannt. Doch werden auch fie alle
durch die der Schaßkammer übertroffen, die in der Mitte bald einzelne Fifche, bald
große Drachenpaare, bald Rofetten u. dgl. als Reliefs zeigen. Auch kleine Rofetten
auf den ßachen fchmalen Rändern kommen vor. Alles in allem aber wird man auf
Grund diefes neuen Materials künftig die Seladonen künftlerifch noch bedeutend höher
einfehäßen müffen, als man es bisher getan. Man wird dann aber ebenfalls, da
Seladone nach den chinefifchen Quellen niemals zu den berühmten Porzellangattungen
diefer Zeit gerechnet worden find, leßtere, von denen fich fo gut wie gar nichts mehr
erhalten zu haben fcheint, auch dementfprechend noch bedeutend reiz- und kunftvoller
fich vorftellen müffen, wie dies bisher gefchehen ift. Dann kommt man in der Tat
für jene zu ganz anfehnlichen Qualitäten.

Alle diefe eben befchriebenen befferen Stücke gehören unverkennbar einer und
derfelben Fabrik und wohl auch Zeit an. Sie zeigen diefelbe Maffe, diefelbe Technik,
diefelbe Glafur, denfelben Stil der Verzierungsart ufw. und, da fie unbeftreitbar das
Befte darftellen, was wir bisher an Seladonen befißen, fo kann kein Zweifel beftehen,
daß fie auch zu den beften Erzeugniffen gehören, die auf diefem Gebiete hergeftellt
worden find, d. h. zu jenen in der Sungzeit (960—1278) zu Lung-chüan fabrizierten.

Freilich von den allerberühmteften Seladonen diefer Zeit, den von den beiden auf
diefem Gebiete tätigen berühmten Brüdern Chang, von denen wir bisher noch niemals
ein Beifpiel gefehen haben, dürfte fich bedauerlicherweife auch hier kein Stück erhalten
haben. Es befindet fich kein einziges darunter, das durch eine alle anderen über-
ragende Schönheit oder Eigenart eine folche Zufchreibung rechtfertigen würde. In diefer
Beziehung wird man, wenn überhaupt, wohl nur noch auf China felber hoffen dürfen.

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