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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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5. Heft
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Korb, Paul: Corot, Delacroix und Courbet: Zur Ausstellung in der Galerie Miethke in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0186

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COROT, DELACROIX UND COURBET

ZUR ÄUSSTELLUNG IN DER GÄLERIE MIETHKE IN

WIEN Mit 5 Abbildungen im Text und 1 Tafel / Von PAUL KORB

Die retrofpektiven Ausheilungen der Galerie Miethke gehören zu den intereffanteften
Veranftaltungen der Wiener Kunfthandlung. Sie entfpringen der Äbficht, in der
bunten Aufeinanderfolge zeitgenöffifcher Bilder dann und wann das lebendige Werk
eines nicht mehr lebenden Meifters vorzuführen, wie ein Denkmal, auf das wir vom
Standpunkt eigener Beftrebungen mit hellerem Verftändnis und vertiefter Ehrfurcht
blicken, das aber auch ermutigt und ftärkt für den notwendigen Kampf der Gegen-
wart. So haben wir in kleinen, aber gewählten Kollektionen Goya, Daumier,
Manet, Monet, Cezanne, van Gogh, Gauguin, Lautrec gefehen, fo von
Deutfchen Leibi und feinen Kreis, namentlich und wiederholt den Wiener Carl
Schuch, der unter den Jüngern an Eigenart dem Meifter am ebenbürtigften war.
Solche Ausheilungen find nirgends dankbarer zu begrüßen als in Wien, wo Mufeen
und Kritik nicht wie anderswo in der Kunfterziehung ihre Aufgabe fuchen. Wir
hatten nicht das Glück, einen Tfchudi zu befißen, der als Vorbild gewirkt und den
mehr oder minder reichen Bilderkäufern Anregung und Sicherheit gegeben hätte, aber
wir hatten ja auch keinen Bode, der einen antiquarifch oder fnobiftifch vertändelten
Spieltrieb zu planmäßiger Sammlertätigkeit entwickelt hätte. Von den Mufeen alter
Kunft darf man eben jeßt eine neue Betätigung erwarten, die das bisher Verfäumte
leicht nachholen wird. Der „Modernen Galerie“ dagegen ift in Friedrich Dörn-
höffer der langerfehnte Leiter erftanden, aber feine Ernennung kann vorläufig
nur eine Verheißung für die Zukunft bedeuten. Und die Kunftkritik? Richard
Muther ftarb auch uns zu früh, der heiter gütige Ludwig Hevefi ging unmutig
aus dem Leben und die durch den Rang ihrer Zeitungen augenblicklich mächtigen
Kunftkritiker ftehen dem modernen Können und Wollen unfreundlich, wenn nicht
feindfelig gegenüber. Jede lokale Mittelmäßigkeit ift der zärtlichften Aufmunterung
gewiß, jede überragende Perfönlichkeit hat mit automatifcher Ablehnung zu rechnen.
Und fo gering ift das Pathos der Diftanz, daß man epochalen Erfcheinungen von
Rembrandt bis auf Manet mit der Konftatierung von Zeichenfehlern zu nahen wagt.
Es ift daher bemerkenswert, wenn eine Kunfthandlung, die ihrer Natur nach gefchäft-
liche Grundlagen und Zwecke haben muß, um der Sache willen die Gegnerfchaft einer
Preffe zu ertragen weiß, die nirgends einflußreicher ift, als in Wien.

Ich weiß nicht, ob die Zufammenftellung der Namen Corot, Delacroix und
Courbet fich zufällig ergab oder ob die Vereinigung von Bildern der genannten
Meifter in einer Ausftellung auf einer Abficht der Veranftalter beruht. Aber ich möchte
die Abficht annehmen. So verfchieden nämlich die Persönlichkeiten diefer drei Maler
find, fo haben fie infofern ein verwandtes Schickfal, als fie durch die hochgehende
impreffioniftifche Bewegung für einige Zeit aus dem Vordergründe des aktuellen Inter-
effes gerückt wurden. Und weiter befteht die Gemeinfamkeit darin, daß heute, wo
der Impreffionismus nicht mehr als Schlachtruf, fondern als ein hiftorifch notwendiger
und abgefchloffener Prozeß erfcheint, deffen Werke und Refultate dem ewigen Beftand
der Kunftgefchichte angehören, Corot, Delacroix und Courbet — neben Daumier
— fich noch deutlicher wie früher als die entfcheidenden Männer der vorimpreffionifti-
fchen Epoche auf dem Hintergründe ihrer Zeit abzeichnen. Die zeitweilige Trennung
hat an dem Genie der Meifter neue Seiten erkennen laffen, und die dritte Generation

Der Cicerone, III. Jahrg., 5. Heft.

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