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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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8. Heft
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Alte Meister im Besitz des englischen Kunsthandels
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0331

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ÄLTE MEISTER IM BESITZ DES ENGLISCHEN

KUNSTHÄNDELS Mit 5 Abbildungen

Wir find heute in der Lage, einige von den
Bildern in Äbbildungen vorzuführen, die
momentan in der bereits im „Cicerone“ be-
fprochenen, hochintereffanten Frühjahrsausftel-
lung alter Meifter verfchiedener Schulen bei
Meffrs. Shepherd Bros., 27, King Street, St.
James’s, London SW., zu fehen find. Es find dies:

1. Caravaggio (zugefchrieben; vielleicht
Ribera oder ein anderer fpanifcher Meifter?).
Diefes fehr intereffante, „Der Spiegel“ oder
„Der Mann mit dem Spiegel“ getaufte Bild ift
122x99 cm groß und von prächtiger malerifcher
Qualität namentlich in den Partien des Gewan-
des wie der den Spiegel kräftig haltenden, aus-
drucksvollen Hand. Der dargeftellte Mann hat
tieffchwarzes Haar und dunkelbraunen Bart.
Sein Wams ift hellgrün; darüber trägt er einen
Überhang aus Hermelin. Die breite, kühne und
fichere Malweife fowie die Ärt der Schatten-
gebung laffen an Caravaggio denken. Das Bild
dürfte für Forfcher von ganz befonderem In-
tereffe fein.

2. Spanifche Schule: „Eine Dame vom Hofe
Philipps II von Spanien“; 101x80 cm groß.
Meffrs. Shepherd Bros., die in ihren Zufchrei-
bungen fehr vorfichtig find, und denen der Rat
von Kennern zu Gebote fteht, fchreiben das
eigenartige, echte fpanifche„Hofbild“ demCoello
zu. Die Dargeftellte trägt ein dunkelfamtnes
Kleid mit goldnen Knöpfen, dazu kleine weiße
Hals- und Handkraufen; befonders auffallend
find ihre Haartracht und der an der rechten
Hand fißende Handfchuh, deffen Leder an einem
Finger durchbrochen ift, um die Steine des Ringes
hindurchleuchten zu laffen. Der Tifch, auf den
fie fich ftüßt, ift mit grünem Tuch bedeckt.

3. Henry Raeburn: „Porträt des Ädmirals
R. Deans“; Größe 91X71 cm. Das Porträt ift
in Raeburns geradezu an Franz Hals erinnernder
charakteriftifcher Weife breit und wuchtig her-
untergeftrichen. Scheinbar gibt es nur eine
momentane Impreffion und umreißt doch den
ganzen Mann und feine Eigenart, in der die

fchottifche Nationalität ftark hervortritt. Es ift
ein Bravourftück und dabei auf das ficherfte
fundiert. Deans war einer von Nelfons Ad-
miralen, was man diefem energifchen, hart-
näckigen und zugleich waghalfigen Geficht wohl
anmerkt. Der Porträtierte trägt dunkelblaue
Ädmiralsuniform mit Goldtreffen ufw. Sein ftark
modelliertes Geficht, deffen blühende Farben
wie auch das rötliche Haar fich lebendig abheben,
ift voll beleuchtet. Der Hintergrund ift dunkel
gehalten: Wolken und See, des Admirals Ele-
mente, find nur leicht angedeutet. Wie als
Parallelen zu feinem Charakter zucken aus dem
Dunkel da und dort ein paar Lichter auf. Wie
fo oft benutzte Raeburn die Nebendinge zu ein-
dringlicher Charakteriftik des Hauptgegenftandes,
ohne durch deren zu ftarke Betonung feine Ab-
ficht ohne weiteres zu verraten.

4. John Conftable:„NearHighgate“,46x61 cm
groß. Diefe lebenfprühende Landfchaft, eine
von Conftables öfters wiederkehrenden Sturm-
ftudien ftammt aus feiner fpäteren Zeit. Ihre Far-
bengebung ift dunkel, ein in einander überge-
hendes Grau und Grün; die Gegenfäße find
wuchtig herausgearbeitet, als ob er beim Malen
feinen Radierer David Lucas und deffen Werk
fchon im Auge gehabt hätte.

5. Richard Wilfon: „Ein italienifdier See“;

Größe 77x122 cm. Wilfon, der fich an Claude
Lorrain gebildet hat, in feinen beften Stücken
wie diefem aber eine für damals erftaunliche
Eigenart und Selbftändigkeit des Landfchafter-
auges aufweift, hat über diefe fanftzügige,
rhythmifch gefchwungene Idylle, in der er den
Charakter der italienifchen Landfchaft intuitiv
und wie aus erfter Hand erfaßt, leuchtendes
Licht ausgegoffen, das heute noch ganz frifch
wirkt, da das Bild ganz außerordentlich gut
erhalten ift. Die zwei Angler, die Wilfon im
Vordergründe ftatt irgendwelcher antiker Figuren
anbringt, tragen auch dazu bei, dem Bild im
Gegenfaß zum klaffifchen Schema den Stempel
der Selbftändigkeit aufzudrücken. F.

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