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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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8. Heft
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Coulin, Jules: Die Sammlung J. Bossard in Luzern
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0330

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DIE SAMMLUNG J. BOSSÄRD IN LUZERN

einzelnen Glieder, in koftbar durchbrochener Arbeit, tragen ent-
weder fünf ganze Perlen, einen Rubin oder einen fehr reinen
alten Dickftein. Das Kleinod, in der Zeichnung mit den ein-
zelnen Gliedern verwandt, trägt in hoher Faffung einen Rubin,
einen Brillanten und drei ganze Perlen von fchönftem Orient.

Die fürftliche Pracht des Ganzen erinnert an Holbeinfche Ent-
würfe oder an Hans Mielichs Miniaturmalereien nach dem
Schale Herzog Albrecht II. — Der fpätere Prunkfchmuck ver-
zichtet auf folchen Reichtum der Form und des Emails. Im
17. Jahrhundert gilt der büßende farbenreiche Stein als folcher.

Beifpiele derartigen Schmuckes fehlen nicht. Es find zwei
koftbare Colliers mit Rubinen und Diamanten zu nennen, ein
großer Miederfchmuck mit Smaragden, Anhänger mit wunder- Falkenhäubchen
liehen Bildungen aus Barockperlen, mit reich verfchlungenen

Initialen, mit allerlei aus Perlen und Steinen gebildeten Tieren. Einzigartig ift die Samm-
lung von Duzenden einzelner Collierteile, die für fich ein kleines Lehrbuch illuftrieren
könnten. Auch was an fpätern Ringen vorhanden ift, zeichnet fich Stück für Stück
durch irgend eine seltene Qualität aus. Hier find es wieder köftliche Emailarbeiten,
fein zifelierte und farbig reiche Faffungen für Steine, die nicht feiten auch im Schliff
irgend etwas Abfonderliches zeigen. Dazu gefellen fich Verlobungsringe und Siegel-
ringe bis ins 18. Jahrhundert.

Außer diefen Gegenftänden, die alle der Goldfchmiedekunft angehören, enthält die
Sammlung Boffard einige der ganz feltenen oder höchft merkwürdigen Gegenftände,
die ihrem Beßrer des befonderen Aufhebens wert fchienen. So eine vielleicht einzig
vorhandene Zinnftatue der Madonna mit Kind aus dem 12. Jahrhundert von franzö-
fifcher Arbeit, dann verfchiedene tüchtige Figuren in Bronze; eine Prunkkaffette aus
vergoldeter Bronze mit dem Wappen des Kurfürften Clemens von Bagern, ein aufs
reichfte ornamentiertes Stück aus dem 17. Jahrhundert; eine in Bronze vergoldete Uhr
auf Ebenholzfockei, mit einer halbliegenden vollrund behandelten Figur, die auf dem
Äquator eines Globus die Stunden zeigt. Das Uhrwerk trägt die Auffchrift: Paullus
Schiller. Neben diefer Arbeit des 17. Jahrhunderts fei noch ein prachtvoll modellierter
Kruzifixus genannt, in Elfenbein vollrund gefchni^t und monogrammiert E. B. 1739.

Für Spezialfammler von befonderem Intereffe ift eine größere Kollektion von Blei-
plaketten und Schließlich die in diefem Umfange — außer den Schäden im Louvre
und Clüngmufeum — einzig daftehende Sammlung der „Plombs hiftories“ vom 12. bis
zum 16. Jahrhundert, die beim Ausbaggern der Seine gefunden worden find.

So eigenartig diefe feltenen Kollektionen und die paar einzelnen Kunftgegenftände
find, fo liegt das Hauptgewicht der Luzerner Sammlung doch auf dem Gebiete der
Goldfchmiedekunft, für deren Ideenreichtum, Mannigfaltigkeit von Form, Farbe und
Materialbeherrfchung während etwa fünf Jahrhunderten, die Kollektion J. Boffard ein
feiten vielfeitiges und rundes Bild zu geben vermag.

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