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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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24. Heft
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Steinmann, Ernst: Hackert-Reliquien
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#1006

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Von EHNST STEINMÄNN

HÄCKERT-RELIQUIEN

Mit zwei Abbildungen

Die retrofpektive Äusftellung Deutfcher Maler in der Engelsburg in Rom hat neuer-
dings auch wieder die Äufmerkfamkeit auf Philipp Hackert gelenkt. Allerdings
find es nur höchft verfchiedenwertige Fragmente feiner Kunft, die hier vereinigt find,
aber angefichts jenes köftlichen Rompanoramas, das das Berliner Kupferftichkabinett
hergeliehen hatte, fragte man doch erftaunt, wie ift es nur möglich gewefen, daß
gerade diefer Künftler aus der betriebfamen Kunftforfchung der lebten fünfzig Jahre
einfach ausgefchaltet wurde? Warum hat fich feit Goethe eigentlich niemand mehr
mit diefem merkwürdigen Manne befchäftigt?

Es fcheint, daß gerade Goethes hohe Wertfchä^ung diefes Künftlers in den hundert
Jahren, die feit feinem Tode verßoffen find, feinem Nachruhm mehr gefchadet als ge-
nügt hat. Man gönnte dem doch immerhin höchft einfeitig veranlagten Künftler den
Weltruhm nicht, den Goethes Erinnerungsblätter ihm gefchaffen hatten. Überdies find
feine Werke, vielmehr als die Schöpfungen anderer Maler feiner Zeit, in der weiten
Welt zerftreut. Italien und Deutfchland, Spanien und Rußland gilt es zu bereifen, will
man von Hackerts Wirken eine einigermaßen klare Vorftellung gewinnen. Und doch
dürfte es die Mühe lohnen, das weit Zerftreute zu fammeln und das arbeitsvolle Leben
diefes Mannes, das Goethe mit der Sympathie eines Freundes gefchildert hat, nach
der künftlerifchen Seite hin weiter auszugeftalten. Es wird fich dann zeigen, daß
manches von dem, was Goethe einft bewundert hat, auch heute noch Ächtung ver-
dient, und daß im reichen Lebenswerk des einft fo viel Gepriefenen tatfächlich Werte
vorhanden find, die man als unvergänglich bezeichnen kann.

In welch weiter Peripherie hat fich diefer lange Lebenslauf bewegt! Berlin, Stral-
fund, Stockholm fahen Hackerts Anfänge, in Paris wurde ihm der erfte große Erfolg.
Dann nahm Italien den Wanderer auf, und Rom wurde ihm wie fo vielen andern
Deutfchen damals die zweite Heimat. Reiche Beziehungen knüpften fich an; und die
Beftellungen häuften fich fo, daß Hackert feine minder kunftbegabten Brüder gleichfalls
nach Italien kommen ließ. Hier fchuf er der Kunftgefchichte ein fchwieriges Problem.
Denn es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß manches, was den Namen Philipp
Hackert trägt, von feinen Brüdern Johann Gottlieb und Georg gemalt und gezeichnet
worden ift. Im Jahre 1782 ging Hackert nach Neapel, wo er durch den ruffifchen
Thronfolger dem König Ferdinand IV. vorgeftellt wurde. Diefer kunftliebende Bourbone,
derfelbe, der mit Hadrawa auf Capri die erften Grabungen nach Antiken veranftaltet
hat, derfelbe, der die Farnefifche Skulpturenfammlung aus Rom nach Neapel über-
führte, fand auch an Hackerts Kunft und Perfönlichkeit Gefallen. Bald fah hier der
Künftler glänzende Exiftenzbedingungen für fich gefchaffen, die erft mit dem König-
tum felbft zerftört wurden.

Seine lebten Lebensjahre verbrachte Hackert in einer Villa unweit Careggi bei
Florenz. Hier ftarb er auch im April des Jahres 1807.

Über diefe lebten Lebensjahre gibt er Rechenfchaft in einem fehr langen und merk-
würdigen Schreiben, daß an Frau Eleonora Schwarz, Gattin des Probftes Schwarz in
Wieck auf Wittow (Rügen) gerichtet ift, und das mir von einem ihrer direkten
Nachkommen, Herrn Profeffor Dr. Schwarz in Eberswalde, freundlichft zum Abdruck
zur Verfügung geftellt worden ift.1 Eleonore Schwarz war die Tochter des Paftors

1 Aus dem gleichen Befilje ftammen die beiden hier reproduzierten Zeichnungen mit fchwarzer
und weißer Kohle auf getöntem Papier. Das Porträt der älteren Dame trägt oben rechts die

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