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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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12. Heft
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Biermann, Georg: Die Leipziger Jahresausstellung in Verbindung mit dem Deutschen Künstlerbunde, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0494

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DIE LEIPZIGER JÄHRESÄÜSSTELLUNG IN VER-
BINDUNG MIT DEM DEUTSCHEN KÜNSTLER-
BUNDE I.

Man darf die Leipziger Künftlerfchaft zu diefem Unternehmen beglückwünfchen. Denn der erfte
Verfuch einer Jahresausftellung, zu der der Magiftrat eine größere Unterftüt^ungsfumme be-
reitftellte, ift dank der regen Beteiligung des Deutfchen Künftlerbundes vortrefflich gelungen. So
fieht man im Städtifchen Kaufhaufe, das allerdings dem Arrangement des Ganzen manche Schwierig-
keit entgegenfe^te, eine Veranftaltung, die zu den intereffanteften und lehrreichften eines deutfchen
Ausftellungsfommers gerechnet werden darf.

Denn die Qualität als folche ift einwandfrei und es beeinträchtigt auch den allgemeinen Ein-
druck nicht, daß der Befucher manchem Bekannten und früher bereits anderswo Gezeigtem be-
gegnet. Dagegen darf es doppelt unterbrächen werden, daß die Zahl junger, weiteren Kreifen
noch unbekannter Talente, die hier in einem größeren Rahmen vor die Öffentlichkeit treten, recht
beträchtlich ift und daß eben diefe Namen dem Unternehmen feinen Hauptreiz garantieren. Wenn
auch die Beteiligung aus allen Teilen Deutfchlands äußerft rege war, fo überwiegen fchon der
örtlichen Tendenz entfprechend die Künftler der fächfifch-thüringifchen Lande. Und unter diefen
ftehen Leipzig, Dresden und Weimar in vorderfter Linie. Leipzig zeigt mit berechtigtem Be-
wußtfein den ftarken Auffchwung einer nicht zu unterfchät^enden lokalen Kunftpflege, die in diefer
Repräfentation auch der Konkurrenz der alten Kunftmetropolen gegenüber ftand zu halten vermag.
Dresden hat weniger Neues mitzuteilen, während Jung-Weimar vielleicht die fchönfte Ent-
deckung ift, die uns eine deutfche Äusftellung in diefem Jahre befcheren konnte. Es ift über-
rafchend zu fehen, wieviel ftarke Perfönlichkeiten in der Ilm-Stadt neuerdings an der Arbeit
find, Perfönlichkeiten, die mit individuellen Leiftungen aufzuwarten haben, die man fich ohne
weiteres für die Zukunft zu notieren hat. Diefer kleine Weimarer Kreis kann geradezu nachdenk-
lich ftimmen; denn er fcheint mir ein vielfagendes Symptom für die allgemein auf künftlerifchem
und mufealen Gebiete zu bemerkende Dezentralifation zu fein, die das kommende Jahrzehnt viel-
leicht noch ganz anders betonen wird, was ficher nicht zum Schaden der allgemeinen Kultur unferes
Vaterlandes fein wird. Denn wenn wir uns auch heute bereits daran gewöhnt haben, gegenüber
den alten Repräfentanten — München und Berlin in erfter Linie — Karlsruhe, Düffeldorf, Dresden,
Stuttgart, Frankfurt u. a. als Mittelpunkte ftarker lokaler Kunftentwicklung anzufprechen, fo dürfte
fich für die Folge diefe Konzentration auf die örtliche Gemeinfamkeit noch viel ftärker ausbilden —
und wie vor zehn und mehr Jahren die Worpsweder z. B. eine kurze Zeit befruchtend die Ent-
wicklung unferer jungen Kunft zu beeinflußen vermochten, fo könnte es ähnlich morgen wieder der
Fall fein, daß irgendwo in der Provinz eine junge Generation mächtig ihr Haupt erhebt und daß
durch diefe die Evolution in neue Bahnen gelenkt würde. Zunächft freilich heißt es abwarten, ob
der Prophet diesmal Recht behält; aber ich meine, es ift an fich fchon ein fchönes Zeichen unferer
immanenten künftlerifchen Zeugungskraft, wenn einem durch eine Äusftellung wie die hier um-
fchriebene, überhaupt die Möglichkeit geboten wird, hundert wertvolle Erkenntniffe mit fortzu-
nehmen, die fich in dem fterilen Rahmen der in gutem und fchlechten Sinne Mode gewordenen,
jährlich wiederkehrenden Veranlagungen fonft fo leicht nicht ergeben. Und vielleicht ift es der
größte Vorzug, den die Leipziger Äusftellung vor anderen voraus hat, daß hier ein junger Willen,
unbekümmert um Richtung, Gefchmack und lokale Ambitionen eben das zu einem Überblick ver-
einigen konnte, was lediglich feiner Qualität nach das allgemeine Bild zu ergänzen vermochte.
Daß auch hier wie überall zuweilen Minderwertiges Einlaß gefunden, fei wenigftens in Parenthefe
kurz angemerkt, aber die Veranftaltung im ganzen ift doch fo, daß man fie mit frohgeftimmten
Erwartungen befuchen kann, ohne am Schluß enttäufcht zu fein. Das konftatiere ich befonders
gern, weil ich fünf Jahre hindurch in einem kunftkritifchen, nicht eben leichten Nebenberufe mehr
als einmal genötigt gewefen bin, gerade gegen die örtliche Kunftübung in Leipzig entfchieden
Stellung zu nehmen und vielleicht mag es dem Fernerftehenden fogar als ungerechtfertigtes Selbft-
lob erfcheinen, wenn ich mir einen ganz befcheidenen Anteil daran zugeftehe, daß eben Leipzig
heute in der Lage ift, eine Äusftellung wie die heurige ins Werk zu fetten. Die Künftler find in-
zwifchen gewachfen. Neben einem Klinger wirken hier als Plaftiker Max Lange, Karl Seffner,
Matthieu Molitor, Reinhold Carl und als Maler Talente wie Horft-Schulze, G. Wuftmann, Leo
Rauth, Schulze-Rofe, Erich Grüner (diefer eine der vielfeitigften Begabungen im jungen Deutfch-
land), Steiner-Prag, Max Seliger, F. Rentfch, W. Howard u. a. und als Graphiker endlich ein
Alois Kolb, dem fich einige jüngere Talente wie A. Leiftner und H. Soltmann, die durch diefe

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