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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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12. Heft
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Steinmann, Ernst: Georg David Matthieu (1737-1778): Zur Ausstellung seiner Werke im Schweriner Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0486

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GEORG DHVID MHTTHIEU (1737—1778)

ZUR ÄUSSTELLUNG SEINER WERKE IM SCHWERINER

MUSEUM Mit 7 Abbildungen, davon 3 auf 2 Tafeln / Von ERNST STEINMÄNN

Wenn diefe hellen Junitage zur Rüfte gehen, breitet fich ein mildes weißes Licht
über den hohen pfeilergetragenen Raum, an deffen hellblau getönten Wänden
das Lebenswerk eines vergejjenen Rokokomalers zur Schau geftellt ift. Eine erlauchte
Gefellfchaft hat fich hier zufammengefunden: Son Ältesse Serenisme in mehrfachen
Gleichniffen, die Frau Herzogin in mindeftens ebenfoviel Darftellungen, die Prinzen
und Prinzeffinnen von Geblüt, Herren und Damen von Stande und allerhand Hof-
beamte. Und fie alle find in fchillernde Seide und leuchtenden Samt fo vornehm und
feftlich gekleidet, als lebten fie nur fich felbft und anderen zur Freude, als wäre diefes
dunkle Erdendafein ein immerwährendes, farbenprächtig heiteres Feft. Zwifchen Auslagen
von Miniaturen, Fächern und altem Porzellan fteht eine prächtige, kunftvoll gearbeitete
Uhr. Niemand anders als die Königin Charlotte von England, Georgs III. Gemahlin,
verehrte fie einft dem Gönner Matthieus dem Herzog Friedrich von Mecklenburg. Man
braucht nur auf eine Feder zu drücken, und man hört noch heute die feinen dünnen
Stimmen einer Melodie von Bach erklingen. Und an der Wand erblickt das Äuge,
von Gainsboroughs Meifterhand gemalt, die Geberin diefer Gabe, die Königin felbft
und neben ihr hängt das Porträt des Befchenkten, des Herzogs Friedrich. Und rings
um diefe beiden fcharen fich wieder alle die Hohen und Höchften, die einft im Leben
mit ihnen an diefem Wunderwerkchen ihre Freude hatten. Ein Stück Vergangenheit
fcheint wieder Gegenwart zu werden. Man laufcht und betrachtet die Bilder der
Menfchen, die einft wie wir gelaufcht haben.

Matthieus Gefchichte ift kurz und arm an äußeren Erlebniffen. Er wurde 1737 in
Berlin geboren. Goethe nannte feinen Namen der Welt zum erftenmal als er fchrieb,
Matthieu fei im Jahre 1762 mit Hackert in Stralfund und Rügen gewefen. Zwei Jahre
fpäter verpßichtete fich der junge Maler bereits dem Herzog von Mecklenburg als Hof-
und Porträtmaler. In Ludwigsluft und Schwerin fpielte fich fein Leben ereignislos ab.
Im Jahre 1778 ift er geftorben, ohne daß fein Name jemals in weitere Kreife ge-
drungen wäre.1

Gewiß, als einen großen Künftler können wir den Stieffohn und Schüler der
Rofina Lisciewska — Matthieu — de Gase nur in bedingtem Sinne bezeichnen. Schon
als Porträtmaler hielt er feine Kunft in enge Grenzen eingefchloffen und felbft in
diefen Grenzen hat er fich nicht in jedem Sinne als Meifter gezeigt. Ein Verhängnis,
deffen Härte er felbft vielleicht am wenigften empfunden hat, zwang ihn mit Stift
und Pinfel ftets die gleichen Typen zu wiederholen, ein Schickfal, das ihm vielleicht in
vielfach bedrängter Zeitlage als Wohltat erfdiienen ift, verbannte ihn in das einfame
Fürftenfchloß von Ludwigsluft, in deffen Nähe fich anzufiedeln überhaupt nur Be-
vorzugten geftattet wurde. Ein früher Tod entriß ihn vielleicht nicht allzu früh dem
Leben und der Kunft. Seine Werke wenigftens bezeugen, daß feine Kraft erfchöpft war.

Wie reich aber die Natur dies Künftlerkind bedacht hatte — alle feine Blutsver-
wandten, Männer fowohl wie Frauen, übten die Kunft des Malens — bezeugt fchon
eins der früheften erhaltenen Werke feiner Hand. Das Porträt des Freiherrn Carl
Sparre (geft. 1791 als Gouverneur in Stockholm) hängt heute in einem nur noch von

1 Für weitere perfönliche Notizen über Matthieu verweife ich auf den foeben erfchienenen
Äusftellungskatalog.

Der Cicerone, III. Jahrg., 12. Heft. 35

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