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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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17. Heft
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Der Kunstmarkt
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DER KUNSTMÄRKT

ZUR ERWEITERUNG DES ANTIQUITÄTEN -SÄLONS ÄDOLF STEIN-
HÄRTER IN MÜNCHEN Mit 2 Abbildungen

Der bedeutende Auffchwung, den der Münch-
ner Antiquitätenhandel in den lebten Jahren
genommen hat, macht fich rückwirkend geltend
in dem Beftreben unferer angefehenften Händler,
noch mehr als bisher ihren Ausftellungsräumen
den Eindruck des Gefchäftsmäßigen zu nehmen.
Das kann einerfeits natürlich nur da glücken,
wo wir es mit der Darbietung von ausfchließ-
lich Originalobjekten — nicht etwa in Verbindung
mit noch fo wertvollen, bewußten Neufchöpfungen
nach alten Vorbildern ■— zu tun haben, andrer-
feits gelingt diefer Auffchwung nur dann, wenn
das allgemein künftlerifche Niveau der Objekte
nicht [o [ehr den Anfprüchen des gewöhnlichen
kaufluftigen Großpublikums, als vielmehr den
gewählten Wünfchen feriöfer Privatfammler und
erftklaffiger Mufeen Rechnung trägt. Nicht die
Maffe, fondern die abfolute Qualität der Gegen-
ftände beftimmt in erfter Linie den Charakter
eines derartigen Äntiquitätengefchäftes, deffen
zeitweifes Studium den Fachgenoffen nicht we-
niger von Wichtigkeit erfdieinen muß, als das
einer öffentlichen Sammlung.

In neuefter Zeit hat die längft rühmlichft be-
kannte Firma Adolf Steinharter, deren Inhaber
gleichen Namens in diefen Tagen auf eine
45jährige unermüdliche und erfprießliche Tätig-
keit im Ältertumshandel zurücklickt, feine Aus-
ftellungsräume um mehr als die Hälfte ver-
größert, indem zu denfelben das ganze, über
den bisherigen Lokalitäten gelegene Obergefchoß
hinzugezogen und in ruhig vornehmer Weife
ausgeftaltet wurde. Die Räume des Erdgefchoffes
wurden dadurch zugleich entlaftet und in ihrer
intimen Wirkung wefentlich gefteigert.

Schon die Paffage des Entrees im Erdgefchoß
überrafcht durch eine reiche Kollektion mannig-
facher kunftgewerblicher Erzeugniffe der ver-
fchiedenften Stilperioden. Man betritt alsdann
die untere Galerie, deren ftattliche Länge von
über 30 m durch das neue Ärrangement jeßt
erft voll zur Geltung kommt. Flandrifche Wand-
teppiche von auserlefener Qualität geben dem
Saal eine feierlich ernfte Stimmung, zu der fchwere
italienifche und graziöfe franzöfifche Möbel wie
Kabinette, Bergeren, Caufeufen ufw. und große
Vitrinen mit reichem Gehalt an Edelmetall-
arbeiten, Porzellanen und Kleinplaftiken in wirk-
famen, aber unaufdringlichem Kontraft ftehen.

Ift fchon in dem Erdgefchoß der Charakter
des Gefchäftsraumes nach Möglichkeit zurück-
gedrängt, fo verleugnet er fich ganz in der
großen, lichterfüllten Galerie des Obergefchoffes.
Diefer neue Trakt mutet in der ftillen Vornehm-

heit feiner Ausftattung und dem feinfühligen
Arrangement der ausgeftellten Objekte nicht fo
fehr als ein Ausftellungslokal für gefchäftliche
Intereffen an, fondern vielmehr als der intime
Salon eines Sammlers von kritifchem Gefchmack
und routinierter Sachkenntnis. Jedes Objekt ift
mit kluger Würdigung feiner künftlerifchen Er-
fcheinung in das Enfemble eingeordnet und troß
aller Verfchiedenheit in Material und Technik,
Form und Farbe fchlägt kein Objekt das andere.
Verträglidi reihen [ich die Erzeugniffe der gegen-
fäßlichften Jahrhunderte aneinander, denn eines
eint alle: die durchgehends gleich hohe künft-
lerifche Qualität. Farbenfrohe Gobelins mit
Jagd- und Gartenfzenen, niederländifche und
franzöfifche Verdüren. da und dort unterbrochen
von Cheminees und Vitrinen bilden den ge-
fchmackvollen Rahmen des Ganzen.

Äus den derzeitigen reichen Beftänden an
Möbeln heben wir nur einige wenige Glanz-
ftücke hervor, einen flottgefchnißten, weftfälifchen
Schrank des 17. Jahrhunderts mit biblifchen
Szenen, einen ebenfo wirkungsvoll, wie exakt
intarfierten Sakrifteifchrank im Stile des öfter-
reichifchen Kirchenkünftlers Jakob Prandauer von
etwa 1740. Glänzend vertreten die Möbelkunft
des 18. Jahrhunderts zwei prächtige Kommoden
mit ßoraler Marquetterie und vergoldeter Bronze,
und ein großer Bureautable von etwa 1720, der
in feiner Linienführung und in den eleganten
Bronzebefchlägen fich eng an die verwandten
Exemplare im Bayerifchen Nationalmufeum und
der Münchner Refidenz fchließt, die für Kurfürft
Max Emanuel gefertigt wurden. Neben diefen
Prunkmöbeln von echt franzöfifcher Eigenart
erfcheint ein in gewiffem Sinne befcheidener
deutfcher Damenfekretär nicht weniger anziehend
durch die forgfältige Marquetterie wie durch die
zierlich modellierten und forgfältig durchzifelier-
ten Bronzebefchläge. Unter den Kleinmöbeln
beftechen durch hervorragend fchöne Gefamt-
form ein italienifches Spätrenaiffancekabinett
mit Schildpattauflagen, ein eleganter franzöfifcher
Sekretär in Boulletechnik im Stil Jean Berains,
der mit dem bekannten Bureau der Maria Medici
im Hotel Cluny größte Verwandtfchaft zeigt, und
fchließlich ein deutfcher Damenfekretär gleicher
Technik aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Eine außerordentlich feine Wirkung erzielt ein
Augsburger Kabinett von Ebenholz, mit feinen
figürlichen Zinnplaketten im Stile Johann Andreas
Thelotts.

Eine reiche Auswahl von Sißmöbeln, italieni-
fchen Truhen, fogenannten Rubensftühlen und

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