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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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17. Heft
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Cohn, Willy: Landolin Ohmacht
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0694

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VON WILLY COHN-Straßburg

LÄNDOLIN OHMÄCHT

Mit 14 Abbildungen

J. Rohrs vor kurzem erfchienenes Buch1 2 fügt den Biographien von Künftlern des
„Klaffizismus“ die eines fchwäbifchen Bildhauers hinzu. Die Kunftgefchichte des aus-
gehenden XVIII. Jahrhunderts ift damit um einen wenig bekannten Meifter und ein
allerdings noch lückenhaftes Oeuvre bereichert worden. Zugleich hat Rohr mit dem
Neudruck einer kunfttheoretifchen Abhandlung von Ohmachts Lehrer J. P. Melchior
„Über das fichtbare Erhabene in der bildenden Kunft“ den langfam fich mehrenden
Quellenfchriften jener Zeit ein neues Künftlerbekenntnis zur Antike — erftmalig ge-
druckt 1781 — angegliedert.

Mit der anhänglichen Liebe des Landsmannes, zugleich auch mit der behaglichen
Breite des teilnehmenden Bewunderers werden des Künftlers „Schicksale“, „Lebens-
werk“ und „Äfthetifches Glaubensbekenntnis“ vorgetragen.

Straffere Konzentration der Darftellung, klarere Anordnung
des Materials mit Hilfe eines einheitlich durchgeführten Ge-
fichtspunktes wären dem Buche von Vorteil gewefen. Und
manche Datierung hätte dann präzifiert, manche Attribution
noch einmal überprüft werden müffen.2 So charakterifiert fich
Rohrs Buch mit Recht als ein Anreger, ein Erftling der Ohmacht-
forfchung, deren urkundliche Quellen noch fpärlich fließen, oft
an entfcheidenden Punkten verfagen und nicht immer durch-
aus verläßlich erfcheinen.

Faft gleichzeitig mit diefer Biographie hatte Prof. Polaczek,

Direktor des Straßburger Kunftgewerbemufeums, eine Ohmacht-
ausftellung eröffnet. Die Entwicklung, die fich aus Rohrs Buch
nur unklar erkennen läßt, zeigte fich hier dank einer meifter-
haften Aufhellung fchon beim ßüchtigen erften Überblick: die
Gefchichte einer Kunft, die vom verklingenden Rokoko ausgeht, jede Phafe des
Kampfes zwifchen zurückhaltendem Louis XVI. und Klaffizismus römifcher Obfervanz
widerfpiegelt, mit dem Siege des letzteren auch ihren Höhepunkt erlebt und endlich, nach
dem Verfuch einer Umkehr zum Realismus der Romantik, müde und innerlich entkräftet
verfickert. Mehr als bloß Illuftrationen zu Rohrs Buch bringend, erfchien die Straßburger
Ausftellung als felbftändige und für Ohmacht grundlegende wiffenfchaftliche Leiftung.

1 J. Rohr: „Der Straßburger Bildhauer Landolin Ohmacht. Eine kunj'tgefchichtliche Studie famt
einem Beitrag zur Gefchichte der Äfthetik um die Wende des 18. Jahrhunderts“. Mit 20 Tafeln.
Straßburg, K. J. Trübner 1911. Mit gütiger Erlaubnis des Verlages find die Äbb. 1, 3, 4, 5 und
10 diefer Arbeit entnommen.

2 So kann das Bildnis eines Unbekannten, Hamburg, Rohr, Tafel 6, nicht vor dem römifchen
Aufenthalt Ohmachts, wahrfcheinlich nicht vor 1795 entftanden fein. Die ebendort abgebildete
Büfte des Freiherrn von Lo^beck ift ficherlich fchon 1803, nicht erft „in den leßten Jahren des
Künftlers“ entftanden. Das Grabmal der Baronin von Schauenburg in Geudertheim ift um min-
deftens zwei Jahre, d. h. bis 1827 zurückzudatieren. Bezüglich der Dunninger Reliefs und anderer
Arbeiten vgl. den Text.

Irrig ift die Attribution der Reliefbildniffe des J. J. Friedr. Klein, Tafel 2, und des Kirftein,
Tafel 19, an Ohmacht. Desgleichen ift nicht von feiner Hand, oder doch zum mindeften eine
folche Provenienz ftiliftifdi fehr unwahrfcheinlich, aus den in den Nachträgen erwähnten Stücken
eines der Mufenmodelle, das Relief einer Frau mit Hammer und Meißel, die Frauenbüfte und die
liegende Frauenfigur im Befilj des Straßburger Kunftgewerbemufeums. Audi die Figuren der Flora
und einer Trauernden in Straßburger Privatbefife verraten zwar Elemente Ohmachtfcher Kunft,
find aber kaum eigenhändige Arbeiten.

Der Cicerone, III. Jahrg., 17. Heft. 50

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